Laut EU-Sanktionen müssen Russlands Luftfahrtunternehmen alle westlichen Leasingunternehmen gehörenden Flugzeuge zurückgeben. Die Übergangsfrist von einem Monat läuft jetzt aus. Die meisten Flugzeuge sind aber weiter in Russland in Betrieb. Das führt zu Frust in Europa.
Russland habe mehrere hundert Linienflugzeuge "gestohlen" hieß es am Freitag bei einer Videokonferenz von Eurocontrol, der europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt.
"Vermögen in enormer Höhe wurden de facto von den Russen gestohlen", sagte der Generaldirektor von Eurocontrol, Eamonn Brennan. Den Leasingfirmen entstünden dadurch Schäden in Milliardenhöhe.
"Die meisten Flugzeuge, mit denen sie ins Ausland fliegen könnten, sind geleaste Maschinen europäischer oder amerikanischer Herkunft, die nun ihren rechtmäßigen Eigentümern, den Leasingfirmen, gestohlen wurden", sagte auch der bei der EU-Kommission für Transport zuständige Henrik Hololei.
Durch die Zulassung der Flugzeuge in Russland hätten die dortigen Behörden "die Gesetze des internationalen Luftverkehrs sowie das Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, die sogenannte Chicagoer Konvention, schwer verletzt", sagte Hololei.
Es gehe um "rund zehn Milliarden Euro und 500 Flugzeuge, die von den Russen beschlagnahmt und bei ihnen zugelassen wurden", sagte Brennan. Dadurch entstehe für die europäischen Leasingfirmen sowie die Versicherer "eine sehr schwierige Situation".
Für Leasinggeber ist das Problem kaum lösbar. Denn wenn die Flugzeuge nicht sofort zurückgegeben werden - wonach es nicht aussieht - müssen viele Maschinen wohl abgeschrieben werden. Werden sie ohne offizielle Wartungsprotokolle und ohne Zugriff auf die ebenfalls sanktionierten Ersatzteile gewartet, sind sie quasi nicht mehr zu gebrauchen. Selbst wenn die Flugzeuge eingemottet werden, müssten sie gewartet werden.
So erwartet die Branche Abschreibungen in Milliardenhöhe, was laut Reuters nicht nur die Leasinggeber, sondern vor allem auch Flugzeugversicherer und deren Rückversicherer belasten dürfte. Vor diesem Hintergrund warnen Beobachter bereits vor generell steigenden Prämien für die Versicherung von Flugzeugen - egal ob in Russland oder anderorts auf der Welt.
Pobeda schlachtet aus, Utair fliegt mit Eigentum, Azur Air gibt zurück
Doch danach sieht es nicht aus. Unbestätigten Berichten zufolge legt Pobeda, die Billigfluggesellschaft der staatlichen Aeroflot, bereits rund die Hälfte der Flotte still, um in Zukunft genügend Ersatzteile für den Weiterbetrieb zu haben. Das soll ein Mitarbeiterschreiben belegen, das im Internet kursiert. Pobeda betreibt eine Flotte von 43 Boeing 737, allesamt im Westen geleast.
Allerdings sind nicht alle russischen Betreiber gleichermaßen von den Forderungen zur Sanktionsrückgabe betroffen. So war Utair beispielsweise bereits vor dem Beginn der Sanktionen mit einigen russisch registrierten Flugzeugen westlicher Bauart unterwegs. Zudem gehören etliche Flugzeuge der Airline selbst. Das betrifft laut "CH-Aviation" beispielsweise die gesamte ATR- und 767-Flotte, wie diese Auswertung darstellt:
Plus-Inhalt
Dieser Teil des Artikels ist ein Premium-Feature und daher nur für Leser mit "airliners+"-Zugang sichtbar.
Jetzt informierenSie haben schon einen airliners+ Zugang? Hier anmelden!
Angebote für Unternehmen und Studierende.
Nach Auswertung von CH-Aviation gibt es aber auch russische Fluggesellschaften, die Flugzeuge an Leasingunternehmen zurückgeben. Azur Air hat demnach elf Flugzeuge an westliche Leasinggeber nach Beginn der Sanktionen zurückgeführt, ebensoviele Northwind. Einige andere Airlines werden mit einzelnen Flugzeugen aufgelistet, wobei nicht klar ist, ob es sich bei den Rückläufer wirklich um freiwillige Rückführungen oder Beschlagnahmungen handelt.
Nach Angaben des russischen Verkehrsministeriums betrieben russische Airlines am 11. März insgesamt 1367 Flugzeuge, von denen mit 739 mehr als die Hälfte im Ausland registriert waren, vorwiegend auf den Bermudas und in Irland, wie diese Auflistung zeigt:
Plus-Inhalt
Dieser Teil des Artikels ist ein Premium-Feature und daher nur für Leser mit "airliners+"-Zugang sichtbar.
Jetzt informierenSie haben schon einen airliners+ Zugang? Hier anmelden!
Angebote für Unternehmen und Studierende.
Bermuda und Irland hatten den Betreibern allerdings die Betriebslizenz entzogen. Ein am 14. März von Russlands Präsident Wladimir Putin erlassenes Gesetz erlaubt es russischen Fluggesellschaften aber, die im Ausland registrierten Maschinen in Russland weiter zu betreiben.
Wegen des Risikos der Beschlagnahme der im Westen geleasten Flugzeugen russischer Gesellschaften hatte Russland Airlines bereits aufgerufen, nicht mehr mit den fraglichen Flugzeugen ins Ausland zu fliegen.
Dennoch haben russische Betreiber wegen der Sanktionen des Westens bereits Flugzeuge verloren. 78 Maschinen seien im Ausland beschlagnahmt worden und konnten nicht mehr zurückfliegen, sagte Verkehrsminister Witali Saweljew am vergangenen Dienstag in Moskau der Staatsagentur Tass zufolge.
Darunter befinden sich aber nicht nur geleaste Flugzeuge. In Leipzig etwa stehen zwei AN-124 der Volga-Dnepr in der Wartung. Am Flughafen Köln/Bonn steht zudem eine Boeing 737 der ebenfalls zur Volga-Dnepr-Gruppe gehörenden Atran, die es nicht mehr rechtzeitig vor den Flugsanktionen nach Russland geschafft hat.
Aeroflot setzt auf Superjet-Hub in Sotschi
Der Mangel an Großraumflugzeugkapazitäten für internationale Flüge veranlasst russische Fluggesellschaften derweil, nach alternativen Möglichkeiten zu suchen, um ausländische Ziele zu bedienen. Eine mögliche Lösung ist der Abflug von einem Ort, der geografisch näher am ausländischen Ziel liegt.
So hat sich die Aeroflot-Gruppe für Sotschi am Schwarzen Meer als neues Drehkreuz für die russischen "Superjet 100" von Rossiya und Aeroflot aufgesetzt, wie "Aviationweek" berichtet.
Der Suchoi Superjet ist eigentlich ein Regionalflugzeug. Flugzeuge russischer Bauart mit größeren Reichweiten werden von russischen Airlines kaum mehr betrieben. Durch den Zwischenstopp in Sotschi können mit dem Superjet aber auch weiter entfernte Ziele erreicht werden.
Vom Flughafen Sotschi aus sollen ab Anfang April knapp 20 internationale Ziele angesteuert werden. Unter anderem stehen Verbindungen nach Ägypten, Israel und in die Türkei im Flugplan. Die Flüge vom neuen Hub sind dabei auf Strecken ab den Aeroflot-Drehkreuzen in Krasnojarsk, Moskau und Sankt Petersburg abgestimmt.