Ausgerechnet Schwanheim. Und dann noch diese stickige Turnhalle. Doch einmal im Jahr, Anfang November, machen sich Luftfahrtfreunde aus aller Welt für ein Wochenende auf den Weg in dieses kleinbürgerliche, deutsche Idyll - ein paar Kilometer entfernt vom Frankfurter Flughafen.
Mit von der Partie sind Chris aus Kansas, Wimpel-Willy aus Sachsen, eine fröhliche Gruppe aus Brasilien, der nette Belgier mit seinem Sabena-Nachlass, etliche Polen, Tschechen und jede Menge offensichtlich meist schon pensionierter Flughafenmitarbeiter und Airliner aus der näheren und ferneren Umgebung.
Und natürlich der unermüdliche Mittsiebziger Hector Cabezas mit seiner Frau. Normalerweise regieren Hector und Paula ihr Reich tief unter dem Terminal 2 des Frankfurter Flughafens. Ihre einmalige luftfahrthistorische Sammlung dort zieht Besucher aus aller Welt an. Die beiden aus Südamerika stammenden Urgesteine der Frankfurter Luftfahrtszene sind Veranstalter und Seele von Deutschlands größter Luftfahrt-Tausch- und Sammlerbörse.
Die absurdesten Artefakte und Überbleibsel aus der weiten Welt der Luftfahrt liegen hier auf den Verkaufstischen, die man schon ein Jahr zuvor mieten muss, um noch Platz zu bekommen. Das Spektrum der angebotenen Waren ist kaum zu glauben. In diesem Jahr mein Favorit: Eine Toilettentür aus einer Boeing 727 von American Airlines.
"Was soll ich denn damit?", frage ich mit gespieltem Interesse den Verkäufer an dem Stand, an dem "Alles muss raus" steht. "Die ist doch super für ein Gartenhaus", erklärt er mir ungerührt. Ich finde die Klotür ehrlich gesagt weder nützlich noch dekorativ, dazu ziemlich sperrig.
Gleich daneben vertreibt ein junger Belgier, seit Jahren am selben Platz, sozusagen das Tafelsilber der 2001 pleitegegangenen Sabena. Hunderte Bestecke und Gläser, Tabletts und Einschübe inklusive der passenden Catering-Trolleys. (Entschuldigung, aber ein Link in unseren airliners.de-Shop musste an dieser Stelle einfach sein, die Onlinered.) Erstaunlich, was nach so langer Zeit von einer verschwundenen Gesellschaft noch alles übrig ist. Es gibt sogar noch die offensichtlich zeitlosen Leuchtjacken des Wartungspersonals.
Dennoch finde ich das Angebot eines Franzosen sexier: Er hat doch tatsächlich ein paar Originalteile der Concorde im Angebot, eine Verstrebung der Tragflächenstruktur sowie einen Abstandshalter vom Fahrwerk. Nach dem Preis frage ich aber erst gar nicht, denn wie immer auf dieser Sammler-„Tauschbörse“ wird hier eher um harte Euros gefeilscht als wirklich getauscht.
Und die Preise sind ganz schön heftig. In ihrer Begeisterung scheinen die Leute oft erstaunlich spendabel. Für gut erhaltene Flugzeug-Postkarten aus den fünfziger oder sechziger Jahren werden locker bis zu 40 Euro bezahlt - pro Stück. Für alte Flugzeugmodelle liegen schnell mal über tausend Euro auf dem Tisch. Jeder in der Nahrungskette des Sammelns muss schließlich auf seine Kosten kommen, wenn Luftfahrtfreaks im Kaufrausch sind.
Händler Chris aus Kansas erklärt mir, dass er durch die ganze Welt reist um Luftfahrtpostkarten, Flugpläne oder Sicherheitskarten aufzukaufen. "Natürlich kannst du normale Flohmärkte abklappern und mit Glück das Zeug billiger finden, aber es ist eine Frage der Prioriäten, wie schnell Du mit Deiner Sammlung welches Niveau erreichen willst," sagt Chris.
Das Niveau meiner eigenen Sammlung, so erkenne ich in diesem Moment, ist dann wohl doch eher bescheiden. Trotzdem schaffe ich es diesmal ohne einen angeschlagenen Metallpropeller, irgendwelche Motorteile oder Kotztüten wieder aus der Sporthalle heraus.
Ich muss an die verrückte Concorde-Auktion in Paris im November 2003 zurückdenken. Keine Spur von miefiger Turnhalle. Das Auktionshaus Christie’s hatte in seine edlen Räumlichkeiten nahe der Champs Elysées geladen und Tausende waren gekommen, um ihr ganz persönliches Erinnerungsstück an die Concorde zu ersteigern. Die Gebote aus aller Welt schossen in Sekunden ins Aberwitzige. Ich schaffte es damals, für 2.000 Euro den wohl billigsten Posten des ganzen Abends zu ersteigern: Ein Pitot-Rohr und ein Triebwerksinstrument. Das thront heute noch in meiner Bibliothek.
Ich weiß nicht mehr, ob es bei Christie’s damals auch eine Concorde-Klotür gab. Ich möchte aber wetten, dass der stolze neue Besitzer der American Airlines 727-Klotür aus Schwanheim seinen Turnhallen-Kauf emotional viel heftiger erlebt hat, als viele der edlen Bieter damals in Paris. Wenn das Trumm denn überhaupt weggegangen ist.