Air France hat Familienzuwachs bekommen. Zuerst dachte ich, die hätten eine Bekleidungsfirma als Tochterunternehmen gegründet. Hätte ja sein können. Man sieht im neuen Air-France-Video nämlich fast nur Bekleidungsstücke und nur einmal kurz ein Flugzeug. Aber angeblich soll Joon eine Fluggesellschaft sein. Eine ganz besondere sogar. Mega cool, aber wirklich nachweisbar cool scheint nur das supercoole Bekleidungsoutfit der Flugbegleiter zu sein.
Der Name Joon soll das französische Wort "jeune" für jung widerspiegeln. Der Name sei "kurz, schlagkräftig und international". Beim ersten stimme ich gerne zu, aber bei den beiden anderen? Bei einer Lifestyle-Marke spielt das natürlich auch keine Rolle. Der Marketer behauptet es, dann wird es auch stimmen. Die anvisierte internationale Zielgruppe der Generation Y (also 18- bis 35-Jährige) hat gelernt, sich an schönen, wenn auch inhaltslosen Begriffen zu begeistern.
Join us to welcome #JOON in our family! Coming to you this fall, on @weflyJOON pic.twitter.com/8wbj0zDijv
— Air France (@airfrance) 20. Juli 2017
"Die Marke wurde für unsere Millennial-Kunden entwickelt (Merke: Die Marke, nicht die Airline) und bietet mehr als nur einen Flug und einen Preis, sie wird vielmehr eine globale Reise-Erfahrung bieten." Darauf hat die Welt echt gewartet. Und wie soll das aussehen? Die neue Fluggesellschaft will das "digitale Labor" und Experimentierfeld für die ganze Air France-KLM sein.
Es sollen ganz neue Dinge ausprobiert werden. So bietet Joon zum Beispiel keine First-Class an. Wow, echt innovativ. Und WLAN an Bord soll es auch geben, die Neuerungen nehmen kein Ende. Wie das alles im Detail aussehen soll, wird die Airline kurz vor ihrem Start im September dem staunenden Publikum erklären.
Mit Mode kennt sich Air France aus
Joon bietet mehr als einen Preis, so das Versprechen. Natürlich soll das heißen, sie bietet einen sehr niedrigen Preis. Auch hier scheint die Quadratur des Kreises nahe zu sein. Joon will keine Billiggesellschaft sein, sie will nur billig sein. Die anvisierte Zielgruppe wird es schon verstehen.
Also die Betriebskosten sollen um etwa 15 bis 18 Prozent unter denen der Air France liegen. Hoppla, da kommt mir doch gleich die supercoole Bekleidung des Air-France-Personalvorstandes in Erinnerung, wie er im Oktober 2015 mit zerrissenem Hemd vor der eigenen Belegschaft über einen Drahtzaun flüchtete. Hintergrund des Aufruhrs damals: Die Belegschaft wollte die Sparpläne des Vorstandes nicht akzeptieren.
The HR director of #AirFrance, leaving negotiations with the unions. Doing business in France: never a dull moment! pic.twitter.com/IP4aHilXjA
— Stefan de Vries (@stefandevries) 5. Oktober 2015
So sieht dann wohl der Kompromiss aus. Gespart wird in der Tochtergesellschaft. Aber Achtung, nicht gleichmäßig. Die Piloten kommen direkt von Air France zu unveränderten Arbeitsbedingungen und Vergütungen. Bei den Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter ist wirklich nur die Kleidung cool. Sie werden von außen rekrutiert, mit bis zu 45 Prozent geringeren Kosten im Vergleich zum Mutterkonzern. Zudem soll ein Teil des Bodenpersonals ausgelagert werden.
Fazit: Sparmaßnahme zu Lasten der Flugbegleiter verpackt in großer Marketing Show. Michael O'Leary auf Französisch. Gewinner sind die Marketingleute - und die haben sicher keinen Abstrich beim Honorar hinnehmen müssen. Im Gegenteil, heiße Luft hat ihren Preis.