Mit dem «Dreamliner» wollte Boeing ein völlig neues Reiseerlebnis bieten. Leise, sparsam, komfortabel - und mit viel elektronischem Luxus. Die Maschinen des europäischen Rivalen Airbus sahen mit einem Schlag alt aus, als die ersten «Dreamliner» vor anderthalb Jahren in den Dienst gingen. Doch nach der Pannenserie bei Boeings Vorzeigejet sieht die Welt plötzlich anders aus. Airbus hat die Chance, aus den Fehlern des Rivalen zu lernen.
Der europäische Hersteller arbeitet mit dem A350 an einem direkten Konkurrenzmodell zum «Dreamliner». Auch dieser Jet soll lange Strecken möglichst verbrauchsgünstig bewältigen. Dazu setzt Airbus ebenfalls auf die leichte und gleichzeitig stabile Karbonfaser statt auf das erprobte Aluminium in Rumpf und Flügeln. Nach mehreren Verzögerungen soll der A350 Mitte diesen Jahres zu seinem Testflug starten. Die Auslieferung der ersten Maschine ist für das zweite Halbjahr 2014 geplant.
Damit hinkt der A350 dem «Dreamliner» um drei Jahre hinterher - könnte dafür aber das ausgereiftere Flugzeug vom Start weg sein. Ein Beispiel sind die Lithium-Ionen-Akkus, die Boeing momentan so viele Probleme bereiten. Auch Airbus hatte die Stromspeicher für den A350 eingeplant - wenngleich sie von einem anderen Hersteller stammen. «Wir haben den Vorteil, dass wir nicht die ersten sind, die die Technik einsetzen», sagt Airbus-Sprecher Stefan Schaffrath. Notfalls wird auf ein Alternativdesign umgeschwenkt. «Wir haben das klassische Konzept mit Nickel-Cadmium-Batterien immer parallel geprüft.»
Anlass für Skepsis gibt es bei den Lithium-Ionen-Akkus seit langem. Zwar gelten sie als besonders leistungsfähig und kommen deshalb in Laptops, Handys und Elektroautos zum Einsatz. Allerdings gingen auch in diesen Elektrogeräten schon mehrfach Akkus in Flammen auf.
Bei Flugzeugen ist die Technik noch so neu, dass die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA sich im vergangenen Jahr nicht in der Lage sah, die notwendigen Regeln für die Zulassung in ihre Standards aufzunehmen. Der «Dreamliner» hob unter einer Sondergenehmigung ab. Auch in den USA wurden die Batterien unter einem Ausnahmeverfahren zugelassen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Airbus dank der Vorarbeit von Boeing teure Fehler vermeidet. So hatten die Amerikaner beim «Dreamliner» nicht nur auf ein neues Material gesetzt, sondern gleichzeitig viel Arbeit an Zulieferer ausgelagert. Diese waren überfordert: Am Ende wurden etwa statt fertiger Rumpfsektionen lose Klammern und Kabel geliefert, Teile passten nicht zusammen, der Zeitplan lief aus dem Ruder. Der erste «Dreamliner» wurde mit mehr als drei Jahren Verspätung ausgeliefert.
«Wir werden niemals wieder so große Arbeitsanteile ausgliedern wie bei der 787», versprach Boeings damaliger Verkehrsflugzeug-Chef Jim Albaugh reumütig. Airbus schaute und lernte: So behielt der Konzern die Zügel bei seinem deutschen Zulieferer Premium Aerotec in der Hand, den er eigentlich verkaufen wollte. In dessen Augsburger Werk entstehen inzwischen die ersten Karbonfaser-Rumpfteile für die A350.
Airbus weiß aus eigener schmerzvoller Erfahrung, welche Auswirkungen Fehlplanungen haben können. Nicht nur, dass vor Jahren der erste Entwurf für den A350 bei den Kunden durchfiel, was wertvolle Zeit kostete. Auch der doppelstöckige Großraumflieger A380 und der Militärtransporter A400M bereiteten den Europäern mehr als einmal Kopfzerbrechen. Ein Flugverbot wie beim «Dreamliner» gilt es nun unter allen Umständen zu vermeiden.