Im Streit zwischen Tuifly und deren Piloten muss die Airline weiterhin Niederlagen hinnehmen. Bis heute hat die Fluggesellschaft alle 76 Gerichtsverfahren verloren, wie airliners.de jetzt erfuhr.
Weil der Reisekonzern Tui sparen muss, wird auch die hauseigene Airline Tuifly verkleinert. Im Rahmen dessen versucht man auch, überschüssiges Personal loszuwerden. Besonders die vermeintlich teuren Piloten sind ein Dorn im Auge.
Deswegen hat Tuifly im März 2021 Kündigungen gegen circa 100 Piloten ausgesprochen. Zuvor hatten sich Airline und Arbeitnehmervertreter auf eine Verkleinerung der Flotte auf 22 Maschinen geeinigt. Fünf der elf Tuifly-Stationen wurden geschlossen, von den mehr als 2000 Arbeitnehmern sollten 700 entlassen werden.
Gespräche abgebrochen
Zwischenzeitlich war die Stimmung in Gesprächen so eisig, dass sie sogar im Herbst 2020 unterbrochen wurden. Ursache war, dass man sich trotz eines Sanierungsbeitrags seitens der Piloten in angeblicher Höhe von 200 Millionen Euro nicht auf einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen einigen konnte.
CEO Oliver Lackmann warf den Piloten damals sogar vor, sie würden sich unsolidarisch verhalten, weil sie als einzige Mitarbeitergruppe keinen finanziellen Beitrag zur Sicherung des Unternehmens leisten wollten.
76 Niederlagen
Als die Airline dann wirklich Kündigungen aussprach, wehrten sich die Piloten juristisch dagegen. Bis heute waren Arbeitsgerichte deswegen mit 76 Fällen beschäftigt, in jedem hat Tuifly eine Niederlage einstecken müssen.
Die Gerichte argumentierten unter anderem, dass Tuifly die Kündigungen nicht schlüssig begründet hätte. So wurden beispielsweise Piloten zum 31. Dezember 2021 gekündigt, das Sparprogramm sollte aber erst im Sommer 2022 beginnen. Ein Richter vom Arbeitsgericht Hannover argumentierte, dass die Fluggesellschaft dann ja auch die Piloten bis zum Sommer hätte weiterbeschäftigen können.
Auch in Düsseldorf entschied ein Arbeitsrichter, dass das Unternehmen in keiner Weise dargelegt hätte, dass keine Weiterbeschäftigung für die Betroffenen möglich sei. Ein gewichtiger Grund sei nicht gegeben gewesen, deswegen waren die Kündigungen unwirksam. Gegen die Urteile ist Tuifly in Berufung gegangen.
Deswegen hat die Airline sich auch neuen juristischen Beistand geholt: Zusätzlich zur Kanzlei Noerr betreut jetzt auch die Kanzlei White & Case die Airline.
20 Millionen Euro Kosten
Die Gerichtsverfahren haben Tuifly bis heute laut Branchenkreisen rund 20 Millionen Euro gekostet. Aus den Reihen der Mitarbeiter ist zu hören, dass man dieses Geld lieber für ein gutes Freiwilligenprogramm verwendet gesehen hätte.
So gibt es zwar ein Angebot zur Freistellung, die Konditionen sind aber nicht besonders attraktiv. Nur sehr wenige Mitarbeiter haben das Angebot in Anspruch genommen, der Großteil will lieber im fliegenden Dienst verbleiben. Tuifly hingegen argumentiert, dass die Konditionen marktüblich sind.
Zusätzlich sind auch die Stationierungsorte der Mitarbeiter ein Streitpunkt. Die Fluggesellschaft hat das Problem, dass teilweise an früheren Basen noch Mitarbeiter angestellt sind, obwohl in manchen Fällen seit Jahren kein Flugzeug mehr dort stationiert ist, so zum Beispiel in Bremen. Das hat für die Airline hohe Kosten zur Folge, weil man diese Mitarbeiter für teures Geld zu Flügen anreisen lassen und im Hotel unterbringen muss.
Deswegen versucht Tuifly, die Arbeitnehmer dazu zu bewegen, eine Änderung des Stationierungsortes in Kauf zu nehmen. Lehnten Mitarbeiter das ab, erfolgte in manchen Fällen die Kündigung.
Auch in diesem Punkt wurde geklagt, acht Gerichtsverfahren sind zu Gunsten der Arbeitnehmer ausgegangen.
Kapazitäten werden extern zugekauft
An einigen Stationen lässt Tui jetzt Kapazitäten, die vorher von Tuifly gestellt wurden, von externen Airline-Partnern stellen. Ab Nürnberg und Saarbrücken fliegt Smartlynx für den Reiseveranstalter, in Paderborn setzt man auf Freebird Europe.
In Friedrichshafen wird ein Flugzeug von European Air Charter stationiert. Der namhafteste Airline-Partner ist die Lufthansa-Tochter Eurowings, welche ab Hamburg und Berlin für Tui fliegt.
Die Vereinigung Cockpit wirft Tui deswegen Tarifflucht vor. "Statt die eigene Airline mit deutscher Belegschaft zu nutzen und damit zumindest teilweise auch die erhaltenen Staatshilfen zu rechtfertigen, setzt Tui nun eine ausländische Billigairline ein", reagierte die Gewerkschaft im April 2021 auf die Nachricht, dass der Reiseveranstalter bei Smartlynx Kapazitäten einkauft.
VC: "Kurzsichtig und unsozial"
Marcel Gröhls, im Vorstand der Vereinigung Cockpit zuständig für Tarifpolitik, äußerte damals, die Vorgehensweise sei ein Affront gegenüber den ganzen Belegschaft. "Die kurzsichtige und unsoziale Strategie der Tui kostet bei der Tuifly in Deutschland etwa 200 Cockpit-Arbeitsplätze sowie hunderte weitere in Kabine, Technik und Verwaltung." Dumping-Anbieter zum Zug kommen lassen sei bei fünf Milliarden Euro Staatshilfe unverständlich.
Wie alle Reiseveranstalter hat auch Tui unter der Corona-Pandemie gelitten. Während sich im Jahr 2019 noch 37 Maschinen in der Flotte der Airline befanden, ist diese jetzt auf nur 26 Maschinen geschrumpft. Außerdem musste Tui Staatshilfen in Anspruch nehmen. Ein Kredit von 4,3 Milliarden Euro wurde zur Rettung bereitgestellt.