Während die Klimadebatte die Luftfahrt derzeit schwer unter Druck setzt und sich manche Menschen schon schämen zu fliegen, gibt es auch realistische Ansätze, das Reisen durch die Luft grüner zu gestalten. Elektrisch angetriebene Flugzeuge fallen derzeit als Alternative aus, weil sie nach dem aktuellen Stand der Technik eine Zukunftsvision sind, die noch länger auf sich warten lassen wird.
Allein schon aus praktischen Gründen gibt es deshalb heute nur eine Option für umweltschonenderes Fliegen: Synthetische Kraftstoffe. Diese werden nicht aus fossilen Rohstoffen sondern entweder aus nachwachsender Biomasse oder sogar aus Abfall gewonnen. Nach Angaben des Branchenverbands BDL sind diese Bio-Fuels zwar momentan noch zwei- bis dreimal so teuer wie fossiler Treibstoff und auch nur sehr begrenzt verfügbar, an diesen Hemmnissen werde aber mittlerweile von vielen Seite gearbeitet.
Forschungsvorhaben und Pilotprojekte
Die Firmen Neste und Air-BP sind beispielsweise dabei, "nachhaltiges Kerosin" aus Abfällen herzustellen. Der Flugtreibstoff habe seine technische Leistungsfähigkeit bereits in Tausenden von kommerziellen Flügen unter Beweis gestellt, teilen die Firmen im April anlässlich eines neuen Vertrags zu Belieferung der schwedischen Flughäfen mit. Es werde aus erneuerbaren und nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und könne im Vergleich zu herkömmlichem Jet-Treibstoff während seines gesamten Lebenszyklus bis zu 80 Prozent der Treibhausgasemissionen reduzieren.
In Deutschland soll eine "Power to Liquid"-Anlage im industriellen Maßstab gebaut werden. Bis 2022 soll die geplante Anlage in Stade nachhaltige synthetische Kohlenwasserstoffe liefern. Partner dafür sind die Technische Universität Hamburg (TUHH), Airbus, BP (mit BP Lingen und Air BP), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Dow und Hoyer Logistik. Im Idealfall könne so CO2-neutrales Kerosin produziert werden.
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Bereits seit letztem Sommer arbeiten die Raffinerie Heide und die Universität Bremen an einem Forschungsprojekt zur Umwandlung von CO2 aus der Luft in flüssige Treibstoffe mittels Ökostrom. Ziel ist auch hier die Herstellung von regenerativem Kerosin durch die Nutzung von überschüssiger regional erzeugter Windenergie. In windschwachen Zeiten wird allerdings laut Uta Maria Pfeiffer vom BDL auch andere Energie zur Produktion genutzt werden müssen. Die Lufthansa ist bei diesem Projekt als potenzieller Abnehmer des Treibstoffs an Bord. Ansonsten führt der Kranich laut eigenem Nachhaltigkeitsbericht derzeit allerdings keine Flüge mit nachhaltigen Treibstoffen durch.
Derweil hat die Business Aviation das Thema "Sustainable Alternative Jet Fuel" (SAJF) auf der diesjährigen Branchen-Zusammenkunft Ebace in Genf zuletzt als zentrales Thema gesetzt. Etliche mit Bio-Kraftstoff angetriebenen Maschinen kamen von unterschiedlichen Flughäfen in Europa und Nordamerika in die Schweiz, was laut Veranstalter auch die Verfügbarkeit der klimaschonenden Kerosin-Alternative demonstrieren sollte.
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Auch in Rotterdam soll die Methode "Power to Liquid" zur Herstellung von flüssigen Treibstoffen aus Strom erforscht werden. Es handelt sich auch hier nur um eine Absichtserklärung der Projektpartner, solch eine Anlage zu erforschen und nicht um einen ausgereiften Ansatz, der Kerosin in praktikablen Mengen, also mindestens tonnenweise, hervorbringen könnte. Transavia soll das Kerosin vor Ort tanken.
Ebenfalls in den Niederlanden geht KLM derweil einen anderen Weg und fördert die Herstellung von Biokerosin aus Industrieabfallprodukten. Der von Sky NRG in Delfzijl hergestellte Kraftstoff soll mindestens 85 Prozent CO2-Reduktion im Vergleich zu fossilem Kerosin bringen. Die KLM Gruppe hat sich nach eigenen Angaben verpflichtet, jährlich 75.000 Tonnen des Kraftstoffs über die Dauer von zehn Jahren abzunehmen. Das entspricht etwa zwei Prozent des jährlichen Gesamtverbrauchs von 3,8 Millionen Tonnen.
Großindustrielle Anlagen fehlen bislang
Aber es gibt auch Rückschläge. So stellten British Airways und ihre Partner Anfang 2016 ein nur zwei Jahre vorher groß angekündigtes Projekt zur industriellen Produktion von synthetischem Kerosin aus Abfall wieder ein. Damals machten die beteiligten Firmen mangelhafte finanzielle Unterstützung seitens der britischen Regierung für das Scheitern des Projektes verantwortlich.
Das Scheitern in Großbritannien zeigt dabei auch noch eine weitere Problematik, und die liegt in der Finanzierung großtechnischer Anlagen. Solange der Ölpreis niedrig ist, lohnen sich Investitionen in die teuren Anlagen für die Anleger nicht. Gleichzeitig braucht die Luftfahrt aber große Mengen der synthetischen Alternativen, die dann auch noch zu einem wettbewerbsfähigen Preis verfügbar sein müssen.
Der deutsche Luftfahrtverband für erneuerbare Treibstoffe Aireg fordert nun, dass bis 2025 mindestens eine großindustrielle Bioraffinerie in Deutschland aufgebaut wird und dem Flugkraftstoff in Deutschland zehn Prozent regeneratives Kerosin aus erneuerbaren Ressourcen beigemischt werden. Das ist allerdings auch abseits des Aufbaus der Herstellungskapazitäten gar nicht so einfach. Denn synthetische Treibstoffe müssen auch für die Luftfahrt zertifiziert werden. Laut BDL gibt es momentan fünf Verfahren, die für die Luftfahrt sind.
Grundsätzlich gilt in der Luftfahrt die Devise "Safety First". Damit geht einher, dass Systeme, die sich bewährt haben, so lange beibehalten werden, bis ein unter Sicherheitsaspekten gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht. Ein synthetischer Kraftstoff muss daher identische Eigenschaften wie fossiles Kerosin aufweisen, um in sämtlichen bestehenden Systemen als sogenanntes "drop-in fuel" genutzt werden zu können. Für die Hersteller bedeutet das meist einen hohen Aufwand.
Luftfahrt braucht schnelle Lösungen
Derzeit dominieren in dem Feld der für synthetische Flugkraftstoffe allerdings noch Absichtserklärungen und Pilotprojekte. Die Branche muss die konkrete Umsetzung der Forschungsvorhaben aber in industriellem Maßstab angehen, wenn sie ihre eigenen Klimaziele einhalten will. Denn die Zeit drückt. Schon von kommendem Jahr an sollen die rund 290 Mitglieds-Airlines der Iata nur noch CO2-neutral zu wachsen.

Übersicht der Klimaschutzstrategie der LuftverkehrswirtschaftFoto: © BDL
Bis das Biokerosin in ausreichender Menge zum Einsatz kommt, müssen die Fluggesellschaften daher ihren zusätzlichen CO2-Ausstoß kompensieren (in der Grafik grau). Dazu haben sich die Staaten der UN bereits auf ein weltweites CO2-Kompensationssystem ab 2020 verständigt. Im Rahmen der Icao-Direktive Corsia sind von den teilnehmenden Ländern zudem weitere Klimaschutzprojekte vorgesehen. Bis Mitte der 2030er-Jahre soll der CO2-Ausstoß des weltweiten Luftverkehrs dann sogar sinken, was ohne synthetisches Kerosin nicht funktionieren wird.