Wie mit Steuergeldern richtig umzugehen ist, das gehört zu den Kernbereichen der Politik und ist oft umstritten. In der Luftfahrt gehört dazu auch die Frage nach Staatsbeihilfen für Unternehmen. Bekannt sind beispielsweise die WTO-Streitbeilegungsverfahren zwischen den USA und der EU um öffentliche Förderung für Boeing und Airbus. Nach Auffassung vieler Kommentatoren deutlich strengere Vorschriften als im Welthandelsrecht finden sich zum Thema der Staatsbeihilfen allerdings im Primärrecht der Europäischen Union.
Verbot der Staatsbeihilfen in der Europäischen Union
Als sogenanntes Primärrecht werden die von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschlossenen völkerrechtlichen Verträge zur Gründung und Arbeitsweise der Europäischen Union bezeichnet, das sind der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Im AEUV findet sich, wie auch in den Vorläuferverträgen, mit Artikel 107 auch ein Verbot von Staatsbeihilfen, die den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren können:
"Artikel 107 (1) Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. [...]"
Geregelt sind im weiteren aber auch Ausnahmen, nach Artikel 107 AEUV können deshalb bestimmte Gruppen von Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Vorgesehen ist in den Artikeln 108 und 109 AEUV außerdem, dass der Rat der Europäischen Union besondere Ausnahmeregeln erlassen darf und die Kommission darauf gestützt weitere Einzelheiten regeln kann.
Gruppenfreistellungsverordnungen der EU
Auch für die Luftfahrt bestehen deshalb eine Reihe von Möglichkeiten, wie in rechtlich zulässiger Art und Weise auf Staatsbeihilfen zurückgegriffen werden darf. Für die Einzelheiten bedarf es dabei stets einer genauen juristischen Prüfung, vereinfacht lässt sich aber sagen, dass insbesondere für Forschung und Entwicklung, aber auch zur Unterstützung strukturschwacher Regionen und für bestimmte weitere Sachverhalte durchaus Staatsbeihilfen gewährt werden können. Die Beihilfen dürfen jedoch im Regelfall nur fließen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, und sind meist an die Einhaltung konkreter Anforderungen geknüpft.
Die Einzelheiten lassen sich dabei nicht allein den Artikeln 107 bis 109 AEUV entnehmen, sondern müssen stets auch unter Anwendung der jeweils geltenden Unionsverordnungen geprüft werden.
Nicht gesagt ist mit der Einhaltung der EU-Vorgaben, dass die Beihilfen zugleich auch dem WTO-Recht entsprechen würden. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Welthandelsrecht ist gesondert zu prüfen. Allerdings interessiert dies aufgrund des Anwendungsbereichs des WTO-Rechts in der Luftfahrt im Wesentlichen bisher nur die Luftfahrzeughersteller.
Beihilfen für Regionalflughäfen
Für die Luftfahrt von besonderer Bedeutung ist die Verordnung (EU) Nr. 651/2014. Mit dieser "Gruppenfreistellungsverordnung" hat die Kommission entsprechende Vorschriften "zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt" erlassen. Diese Verordnung beinhaltet auch Regelungen zu Beihilfen für Regionalflughäfen.
Neben den allgemeinen Vorschriften in den Kapiteln I, II und IV sind es für die Luftfahrt vor allem die Detailregelungen in Artikel 56a der Verordnung (EU) Nr. 651/2014, die zu beachten sind. Danach sind Investitionsbeihilfen oder Betriebsbeihilfen für Flughäfen mit dem Binnenmarkt vereinbar und müssen auch nicht bei der Kommission angemeldet werden, wenn die im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Insbesondere dürfen Investitionsbeihilfen nicht für Flughäfen gewährt werden, deren durchschnittliches Passagieraufkommen in den beiden Geschäftsjahren vor der tatsächlichen Beihilfegewährung mehr als drei Millionen Passagiere betrug; auch eine Grenze für das Frachtaufkommen ist festgelegt. Bei Betriebsbeihilfen liegt die Grenze sogar bei nur 200.000 Passagieren.
Leitlinien der EU-Kommission
Um die Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV und der Gruppenfreistellungs-Verordnung (EU) Nr. 651/2014 zu erleichtern, hat die Kommission ihre sogenannten "Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften" (Mitteilung der Kommission 2014/C 99/03) veröffentlicht. Die Leitlinien orientieren sich an der bereits bestehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und beinhalten konkretisierte Angaben dazu, unter welchen Voraussetzungen die Kommission von der Einhaltung der rechtlichen Anforderungen an Staatsbeihilfen ausgeht.
Wer die Leitlinien genauer durchgeht, wird darauf aufmerksam werden, dass abgesehen von Regionalflughäfen und Luftfahrtunternehmen keine sonstigen Beihilfeempfänger ausdrücklich genannt werden. Danach ist die Annahme gerechtfertigt, dass sich sonstige Unternehmen nach Auffassung der Kommission im Regelfall nicht auf die Ausnahmevorschriften der Gruppenfreiststellung für Regionalflughäfen werden berufen können. Andererseits bedeutet dies nicht, dass sie in keinem Fall von solchen Beihilfen profitieren dürfen. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Regionalflughafen oder ein Luftfahrtunternehmen berechtigterweise Geld aus öffentlicher Hand erhalten haben und so eingesetzt haben, dass die Voraussetzungen für die Beihilfegewährung eingehalten sind.
Die Anforderungen der Artikel 107 und 108 AEUV, der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 und der weiteren 44 Seiten an Einzelangaben in den Leitlinien der Mitteilung 2014/C 99/03 richtig zu verstehen und umzusetzen, erfordert die gründliche juristische Prüfung und Begleitung. Das Risiko für den Flughafen oder das Luftfahrtunternehmen, etwas falsch zu machen und deshalb nachfolgend erhebliche Summen an die öffentliche Hand zurückzahlen zu müssen, ist groß. Fehler können bei Verschulden zudem auch die persönliche Haftung von Geschäftsleitung oder anderen handelnden Personen nach sich ziehen und im schlimmsten Fall können sich Geschäftsleitung oder leitende Angestellte gar dem Vorwurf strafbaren Handelns ausgesetzt sehen. Viele Unternehmen holen deshalb vorsorglich juristische Beratung ein und lassen sich von externen Spezialisten unterstützen.
Finanzielle Beziehungen zwischen Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften
Für Regionalflughäfen, die sich um Linienflüge oder Charterverkehr von Luftfahrtunternehmen bemühen, geht es dabei immer wieder besonders um die Vorgaben zu den finanziellen Beziehungen zwischen Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften. Denn wenn ein Regionalflughafen selbst von der Gemeinde, einem Landkreis oder einem Land oder sonst aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, ist bei Zahlungen an Dritte notwendigerweise sicherzustellen, dass es nicht zu einer unzulässigen Staatsbeihilfe vom Flughafen an den Dritten kommt.
Die Leitlinien der Kommission sagen dazu:
"53. Stehen einem Flughafen öffentliche Mittel zur Verfügung, so kann eine Beihilfe für eine den Flughafen nutzende Luftverkehrsgesellschaft grundsätzlich ausgeschlossen werden, wenn die Beziehung zwischen dem Flughafen und der Luftverkehrsgesellschaft mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten im Einklang steht. Der Fall ist dies in der Regel, wenn: a) der für die Flughafendienstleistungen erhobene Preis dem Marktpreis entspricht (vgl. Abschnitt 3.5.1) oder b) durch eine Ex-ante-Analyse aufgezeigt werden kann, dass die Vereinbarung zwischen Flughafen und Luftverkehrsgesellschaft einen positiven inkrementellen Beitrag zum Gewinn des Flughafens leisten wird (vgl. Abschnitt 3.5.2)."
Wenn diese Voraussetzungen sich nicht einhalten lassen und deshalb das Vorliegen einer Staatsbeihilfe nicht ausgeschlossen ist, können die ebenfalls in den Leitlinien der Kommission beinhalteten Angaben dazu weiterhelfen, unter welchen Bedingungen es sich um eine rechtlich zulässige Beihilfe handeln kann.
Die Kommission prüft sieben allgemeine Kriterien, die alle erfüllt sein müssen. Im Wesentlichen geht es darum, dass Staatsbeihilfen nur gewährt werden dürfen, wenn sich aus den Gegebenheiten von Markt und Wettbewerb anderenfalls am betreffenden Ort bestimmte Geschäftsaktivitäten gar nicht ansiedeln würden. Die Beurteilung zu diesen Anforderungen wiederum eine genaue Prüfung, zumal es für eine Reihe von Inhalten auf hypothetische Vergleiche oder Prognosen ankommt.