Um 16.41 Uhr hob am Donnerstagnachmittag der letzte je ausgelieferte Airbus A380 vom Werk in Hamburg-Finkenwerder ab. Das Flugzeug mit der Baunummer MSN272 und dem Kennzeichen A6-EVS war die 251. für Airlines und die 123. für den entscheidenden Kunden Emirates gebaute A380. Nur 14 Jahre nach der ersten Ablieferung an Singapore Airlines im Jahr 2007 ist Schluss mit der Produktion des größten Verkehrsflugzeugs der Welt, das nach Investitionen von geschätzten 30 Milliarden Euro die wirtschaftlichen Erwartungen weit verfehlt hat.
Von weit her angereist
Irgendwie schien jemand Regie zu führen an diesem Dezembernachmittag am Zaun in Finkenwerder, umgeben von Marschwiesen und Deichen. Es war der erste helle Tag der Woche, sogar mit ein wenig Sonne, jetzt stand der Mond bereits hoch oben am Himmel über dem Tower des Werksflugplatzes. Bereits Stunden vor dem Start um 16 Uhr pilgerten aktuelle und ehemalige Airbus-Mitarbeiter, Flugzeug-Fans sowie ganze Familien mit Kindern auf den Aussichtshügel neben dem Auslieferungszentrum.
Die Tatsache, dass die Piste in Finkenwerder überhaupt bis hierher verlängert worden war, geht auf die A380 zurück. Das Programm hat das Gesicht des gesamten Stadtteils erheblich verändert: So war Anfang des Jahrtausends eine ganze Elbbucht, das Mühlenberger Loch, zugeschüttet worden, um darauf neue Werkshallen für die A380-Produktion zu errichten.
Die A380 begeistert die Menschen offensichtlich immer noch wie am ersten Tag - egal ob Passagiere, Mitarbeiter oder Zaungäste. Manche scheuten sogar eine sehr weite Anreise nicht.
"Ich bin gerade eben mit dem A380-Linienflug von Emirates aus Dubai hier in Hamburg angekommen und dann direkt hierher", sagte Arun Rajagopal, ein junger Inder, der schon lange in Dubai lebt und dort acht Jahre lang für die Social-Media-Abteilung von Emirates gearbeitet hatte, bevor er die Airline verließ.
"Heute bin ich rein privat hier, nur für eine Nacht, dann geht es zurück. Ich musste das unbedingt selbst sehen. Die A380 ist ein einmaliges Flugzeug, die letzte Auslieferung geht uns allen nahe", so Rajagopal gegenüber airliners.de.
Er war an diesem Tag der einzige Besucher aus Dubai. Alle Offiziellen mussten dem Ereignis fernbleiben, angeblich aufgrund der Corona-Situation in Deutschland. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass das Virus Airbus sehr gelegen kam. Der Hersteller wollte nie ein großes Aufsehen um die letzte Auslieferung erregen, zumal die A380 wirtschaftlich ein totaler Flop war.
"Wir wollen etwas Spezielles daraus machen"
"Airbus sagt uns, sie machen keine Feiern zum Ende eines Programms", hatte Emirates-Präsident Sir Tim Clark im Oktober gegenüber airliners.de gesagt. "Aber wir wollen etwas Spezielles daraus machen. Ich habe gesagt, wenn Ihr das nicht machen wollt, machen wir es eben selbst. Wir wollen Medien und andere Beteiligte einladen und sie von Finkenwerder nach Dubai fliegen wie bei der ersten Abholung 2008", so Clark vor zwei Monaten. Dazu kam es wegen der aktuellen Inzidenzen nicht.
Mehr als einen internen Fototermin und eine Pressemitteilung mit lauwarmen Worten des Vorstandschefs Guillaume Faury hatte auch Airbus nicht organisiert, um den Meilenstein der Firmengeschichte zu würdigen.
Airbus-Mitarbeiter dagegen, die sich am Donnerstag zahlreich auf dem Aussichtshügel in Finkenwerder einfanden, ließen ihren Emotionen freien Lauf. "Das Ende der A380 hat viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehr bewegt", erzählte die 26-jährige Ingenieurin Sonja Schweicker, die inzwischen in der Fertigung der A321XLR arbeitet - in jenen Hallen, die einst für die A380-Produktion gebaut worden waren.
"Ich habe 2014 bei Airbus angefangen und kann mich gut an den unvergesslichen Moment erinnern, als ich erstmals dicht neben einer A380 in der Halle stand", so Schweicker. "Die A380 hat die Belegschaft zusammengeschweißt und alle sehr stolz gemacht, und wir bekommen bis heute überall gesagt: Das war Euer Meisterstück."
Ein vergleichsweise kurzes Flugzeugleben
Der letzten ausgelieferten A380 wird sehr wahrscheinlich nur ein vergleichsweise kurzes Flugzeugleben vergönnt sein. "Wir werden die A380 noch bis Mitte der 2030er Jahre fliegen, also sind es noch 14 oder 15 Jahre, bis wir sie ausmustern", so der Emirates-Präsident gegenüber airlners.de damals. "Das ist natürlich leider kein langer Lebenszyklus für ein Flugzeug, das jetzt neu geliefert wird. Normalerweise beträgt der 20 oder 25 Jahre, bei British Airways gab es sogar 747-400, die 30 Jahre geflogen sind."
Es ging ein Raunen durch die Menge auf dem Aussichtshügel, als gegen 16.20 Uhr mit dem Ausstoß weißer Rauchwolken die vier mächtigen Triebwerke der A380 zum Leben erwachten und das riesige Flugzeug zum letzten Mal hinter den Werkshallen hervor in Richtung Piste rollte.
"Ich bin so stolz, sie nach Hause zu bringen", hatte Kapitän Dwayne Walker, Emirates-Chefpilot für die A380 und bei der Überführung als Kapitän im Cockpit, airliners.de vor Abflug mitgeteilt. Und die Umstände waren ihm hold – der Bilderbuchstart bei stimmungsvoller Beleuchtung hinein in den kleinen Rest von Abendsonne sorgte bei manchen Anwesenden für eine Gänsehaut.
Kurz darauf kehrte die A380 nach einer Schleife zurück und simulierte einen Touch-and-Go, bevor Captain Walker den Riesen vor aller Augen wieder in die Höhe zog - ein würdiger Abschied, selbst unter den gegebenen Umständen.
"In jedem Ende liegt ein Anfang", tröstete sich die junge Airbus-Ingenieurin Sonja Schweicker. Das scheint auch Sir Tim Clark so zu sehen. Gegenüber airliners.de erklärte er am Donnerstag: "Ich bin überzeugt, dass es dank schnell fortschreitender Technologie in Zukunft einen Platz für ein neues, umweltfreundliches Flugzeug dieser Größe geben wird. Wie anders könnte man mit dem künftig vorausgesagten Wachstum des Luftverkehrs umgehen?"