Das Luft- und Raumfahrtunternehmen RTX teilte mit, dass hunderte Airbus-Flugzeuge wegen eines seltenen Herstellungsfehlers in der RTX-Einheit der Triebwerke in den kommenden Jahren am Boden bleiben müssten. Die Nachricht drückte die Stimmung in der Branche, die sich gerade von dem Druck in der Lieferkette erholt hatte.
Dies ist der jüngste Produktionsfehler in der Luftfahrtindustrie in diesem Jahr, nachdem bereits ein anderer großer Zulieferer, Spirit Aerosystems, mit Qualitätsproblemen zu kämpfen hatte.
Was ist das Qualitätproblem bei RTX-Triebwerken?
Die beliebten Getriebefan-Triebwerke (GTF) der RTX-Einheit von Pratt & Whitney wurden entwickelt, um die Treibstoffeffizienz zu verbessern und die Emissionen zu senken. Diese Triebwerke haben sich durchgesetzt und konkurrieren nun mit den LEAP-Triebwerken von CFM International, die den Airbus A320 Neo antreiben.
In den letzten Monaten kamen jedoch Bedenken hinsichtlich der Leistung auf, da die Triebwerke in heißen und staubigen Klimazonen Probleme mit der Haltbarkeit hatten und häufiger gewartet werden mussten.
Im Juli gab RTX bekannt, dass es in dem Metallpulver, das zur Herstellung der Hochdruckturbinenscheiben verwendet wird, mikroskopische Verunreinigungen gefunden habe, die zu Rissen im Triebwerk führen könnten.
RTX erklärte damals, dass 200 Triebwerke einer "beschleunigten Inspektion" unterzogen werden müssten und dass man 60 Tage Zeit habe, um jedes Triebwerk mit diesem Problem zu reparieren. Am Montag weitete RTX jedoch den Umfang der Inspektionen aus, zog zwischen 600 und 700 Triebwerke von seinen Airbus-Flugzeugen ab und rechnete mit einer Reparaturdauer von bis zu 300 Tagen pro Triebwerk.
Wie entstand das Problem?
Im Jahr 2015 erweiterte RTX, damals noch unter dem Namen Raytheon, die Kapazität seines Tochterunternehmens HMI, um die für den Hochlauf der GTF erforderliche zusätzliche Kapazität zu unterstützen. Bei HMI stellt das Unternehmen Metallpulver her.
Während der Kapazitätserweiterung wurde versehentlich eine Verunreinigung in das Pulver eingebracht, die bei den damaligen Kontrollen nicht entdeckt werden konnte.
Gibt es Qualitätsprobleme bei anderen Luftfahrtzulieferern?
Ja. Boeing hat im vergangenen Monat ein Qualitätsproblem bei der 737 Max festgestellt, das den Zulieferer Spirit Aerosystems betraf. Es ging um unsachgemäß gebohrte Löcher im hinteren Druckschott, einer Struktur, die den hinteren Teil der Druckkabine abdichtet.
Anfang dieses Jahres hatte Boeing die Auslieferung einiger 737 Max gestoppt, weil ein Zulieferer ein Qualitätsproblem hatte, bei dem zwei von Spirit hergestellte Verbindungsstücke zwischen dem hinteren Rumpf und dem Seitenleitwerk nicht korrekt angebracht waren.
Warum treten diese Probleme jetzt auf?
Die Erstausrüster (Original Equipment Manufacturer, OEM) in der hochkomplexen Luft- und Raumfahrtindustrie sehen sich mit einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage konfrontiert und stellen ihre Produktion auf hohe Stückzahlen um. Der Produktionsanstieg hat die Lieferketten unter Druck gesetzt und wird durch den Mangel an Arbeitskräften behindert.
Die Luftfahrtunternehmen haben auf die hohe Fluktuation der Arbeitskräfte infolge von Corona hingewiesen – die Zunahme an unerfahrenen und weniger qualifizierten Arbeitskräften hat die Qualitätsprobleme verschärft.
Das Flugverbot für die 737 Max nach zwei tödlichen Abstürzen hat zudem eine neue Ära intensiver behördlicher Kontrollen eingeläutet.
Was kommt als Nächstes?
Laut RTX würde der Inspektionsprozess bis 2026 ein Flugverbot für fast 350 Flugzeuge pro Jahr erfordern.
RBC-Analyst Ken Herbert geht davon aus, dass die GTF-Reparaturen aufgrund der bereits eingeschränkten Lieferkette länger dauern werden als erwartet. Die Fluggesellschaften, die die betroffenen Flugzeuge übernommen haben, streichen einige Flüge und haben ihre Transportkapazitäten reduziert.
Obwohl RTX erklärt hat, dass die Triebwerke aus der aktuellen Produktion nicht betroffen sind, gehen einige Luftfahranalysten davon aus, dass Pratt & Whitney Marktanteile an CFM, einem Joint Venture zwischen GE und dem französischen Unternehmen Safran, verliert.