Das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg will die Herstellung und den Einsatz synthetischer Kraftstoffe untersuchen. Dafür sei zunächst eine Machbarkeitsstudie mit der Zementindustrie vereinbart worden, wie das Ministerium am Donnerstag mitteilte.
Man strebe bei dem Projekt eine Zusammenarbeit mit dem Flughafen Stuttgart für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe im Luftverkehr an. Der Aufsichtsrat muss dem noch zustimmen. Über das Projekt am Flughafen hatte zunächst die "Schwäbische Zeitung" berichtet. Das Projekt soll zum September starten und insgesamt bis zu 3,5 Millionen Euro kosten.
Technische Lösungen sind nicht das Problem
Arina Freitag, Chefin des Stuttgarter Flughafens, erklärte, dass die technischen Lösungen für klimaneutrales Fliegen vorhanden seien. "Um im Luftverkehr den entscheidenden Schritt in Richtung Klimaneutralität zu gehen, müssen wir jetzt alle Kraft auf die Herstellung von synthetischen Treibstoffen verwenden." Alle Partner seien jetzt gefragt.
Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte, dass man mit den CO2-Emissionen der Zementindustrie und mit Hilfe erneuerbarer Energien sogenannte "Refuels", also klimaneutrale synthetische Kraftstoffe herstellen wolle. Das Landesverkehrsministerium will nun die Machbarkeit untersuchen lassen. Etwa 44 Prozent des CO2-Ausstoßes der baden-württembergischen Industrie gehe auf die sieben Zementwerke im Land zurück.
Zunächst soll bei dem Projekt herausgefunden werden, ob sich ein Standort im Land dafür eignet, um dort Refuels herzustellen. Ein wichtiges Kriterium ist die Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom. Als Projektpartner ist die Karlsruher Firma Ineratec vorgesehen, die Anlagen zur Herstellung von Refuels baut.
Andere Projekte laufen bereits
Bereits seit letztem Sommer arbeiten die Raffinerie Heide und die Universität Bremen an einem Forschungsprojekt zur Umwandlung von CO2 aus der Luft in flüssige Treibstoffe mittels Ökostrom. Ziel ist auch hier die Herstellung von regenerativem Kerosin durch die Nutzung von überschüssiger regional erzeugter Windenergie. In windschwachen Zeiten wird allerdings laut Uta Maria Pfeiffer vom BDL auch andere Energie zur Produktion genutzt werden müssen. Die Lufthansa ist bei diesem Projekt als potenzieller Abnehmer des Treibstoffs an Bord.
In Stade soll eine "Power to Liquid"-Anlage im industriellen Maßstab gebaut werden. Bis 2022 soll die geplante Anlage nachhaltige synthetische Kohlenwasserstoffe liefern. Partner dafür sind die Technische Universität Hamburg (TUHH), Airbus, BP (mit BP Lingen und Air BP), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Dow und Hoyer Logistik. Im Idealfall könne so CO2-neutrales Kerosin produziert werden.
Branchenziele brauchen ambitionierte Herangehensweise
Die globale Luftfahrt hat sich selbst ambitionierte Klimaziele verpasst und muss deshalb die konkrete Umsetzung der Forschungsvorhaben in industriellem Maßstab vorantreiben. Denn die Zeit drückt: Schon von kommendem Jahr an sollen die rund 290 Mitglieds-Airlines der Iata, des internationalen Verbandes der Fluggesellschaften, nur noch CO2-neutral zu wachsen.

Übersicht der Klimaschutzstrategie der Luftverkehrswirtschaft Foto: © BDL
Bis synthetisches Kerosin in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht, müssen die Fluggesellschaften ihren zusätzlichen CO2-Ausstoß kompensieren (in der Grafik grau). Dazu haben sich die Staaten der UN bereits auf ein weltweites CO2-Kompensationssystem ab 2020 verständigt. Im Rahmen der Icao-Direktive Corsia sind von den teilnehmenden Ländern zudem weitere Klimaschutzprojekte vorgesehen. Bis Mitte der 2030er-Jahre soll der CO2-Ausstoß des weltweiten Luftverkehrs dann sogar sinken, was ohne synthetisches Kerosin nicht funktionieren wird.