In der Betriebswirtschaft gehört die Frage "Kaufen oder Selbermachen?” ("Make or Buy?") zum Standardrepertoire der Unternehmensführung. Für Juristinnen und Juristen stellen sich allerdings meist eine ganze Reihe von Folgefragen, die vom Arbeitsrecht bis zum Umweltrecht reichen können.
Standardfrage der BWL hat juristische Folgefragen
Denn "Selbermachen" bedeutet juristisch gesehen meist die Aufgabenerledigung durch die eigenen Mitarbeiter, "Kaufen" heißt meist, dass Fremdfirmen eingesetzt werden. Doch die genaue Unterscheidung kann aufgrund arbeitsrechtlicher Besonderheiten anspruchsvoll werden. (Lesen Sie dazu mehr in der nächsten Folge des Luftrechts-Tutorials!) Je nachdem, für welche Gestaltung sich ein Unternehmen entscheidet, ergeben sich außerdem meist weitere juristische Einzelheiten, die zu beachten sind.
Besondere Anforderungen an Auslagerung
In den regulierten Branchen, zu denen natürlich auch die Luftfahrt gehört, hat die Frage nach der Auslagerung meist zusätzliche rechtliche Anforderungen zur Folge. Das ist für Banken und Versicherungen und in vielen anderen strenger überwachten Wirtschaftszweigen so – und natürlich auch für die Luftfahrt.
In der Luftfahrt gehört dazu beispielsweise auch schon der Fall, dass ein Luftfahrtunternehmen für seinen Flugbetrieb auch Aufträge an andere Luftfahrtunternehmen vergeben möchte: Wenn die Airline A für die Durchführung des Fluges von Berlin nach Bratislava das Luftfahrtunternehmen B beauftragen will, dann sind zunächst Grundfragen zu klären.
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Soll Luftfahrtunternehmen B die Verantwortung für die Flugdurchführung übernehmen? Oder soll nur ein Flugzeug angemietet werden (ohne Besatzung)? Auch weitere Gestaltungen sind denkbar, die auch rechtlich zu weiteren Notwendigkeiten führen können. Angenommen aber, das Luftfahrtunternehmen B soll im Auftrag von Airline A alles weitere erledigen: Dann wird es sich um ein Wetlease handeln und dies führt zu besonderen Anforderungen, die Verordnung (EU) Nr. 1008/2008 und die Verordnung (EU) Nr. 2018/1139 und die Durchführungsbestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 machen dazu genaue Vorgaben.
Outsourcing der Instandhaltung von Luftfahrzeugen
Auch für die Instandhaltung von Luftfahrzeugen stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten und Anforderungen der Auslagerung. Die Einzelheiten dazu ergeben sich aus der Verordnung (EU) Nr. 2018/1139 und den Durchführungsbestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1321/2014.
Ausgangspunkt sind die Vorgaben in Anhang I (Teil-M) der Verordnung (EU) Nr. 1321/2014:
"M.A.201(e) Im Fall von Luftfahrzeugen, die von gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 zugelassenen Luftfahrtunternehmen genutzt werden, ist der Betreiber für die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit der von ihm betriebenen Luftfahrzeugen verantwortlich und:
1. hat sicherzustellen, dass Flüge nur stattfinden, wenn die Bedingungen in Buchstabe a erfüllt sind;
2. muss als Teil seines Luftverkehrsbetreiberzeugnisses als Unternehmen zur Führung der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit gemäß Abschnitt A Unterabschnitt G (Unternehmen zur Führung der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit) für die von ihm betriebenen Luftfahrzeuge genehmigt sein und
3. muss in Übereinstimmung mit Teil-145 genehmigt sein oder einen Vertrag gemäß M.A.708(c) mit einem solchen Betrieb schließen."
Vereinfacht gesagt, wird dem Luftfahrtunternehmen mit diesen Vorgaben vorgeschrieben, dass ein Flug nur stattfinden darf, wenn das Luftfahrzeug auch lufttüchtig ist (Nummer 1). Außerdem muss jedes Luftfahrtunternehmen über eine Genehmigung als Unternehmen zur Führung der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit (continuing airworthiness management organisation, CAMO) verfügen (Nummer 2). Dadurch ist sichergestellt, dass das Luftfahrtunternehmen über die nötigen Einrichtungen und Personal mit ausreichender Qualifikation verfügt, um die Lufttüchtigkeit der Luftfahrzeuge auch tatsächlich ausreichend überwachen und gewährleisten zu können. Schließlich ist vorgeschrieben, dass das Luftfahrtunternehmen die Instandhaltung "selber macht oder kauft" (Nummer 3).
Wenn sich das Luftfahrtunternehmen entscheidet, sich um die Instandhaltung selber zu kümmern, dann erfordert das die Genehmigung nach Anhang II (Teil-145) der Verordnung (EU) Nr. 1321/2014.
Entscheidet sich das Luftfahrtunternehmen hingegen für die Auslagerung der Instandhaltung seiner Luftfahrzeuge, dann darf nur ein nach Teil-145 genehmigter Instandhaltungsbetrieb beauftragt werden; dadurch ist sichergestellt, dass alle nötigen Einrichtungen (Betriebsstätte, Werkzeuge und Ausrüstung) und qualifiziertes Personal vorhanden ist, um die Luftfahrzeuge ausreichend zu betreuen.
Außerdem macht die Regelung in M.A.708(c), auf die in M.A.201(e) verwiesen wird, genauere Vorgaben zu Form und Inhalt des erforderlichen Vertrages:
"M.A.708(c) Im Fall von [...] im gewerblichen Luftverkehr genutzten Luftfahrzeugen […] hat [das Luftfahrtunternehmen als CAMO und Betreiber], wenn es nicht entsprechend gemäß Teil-145 […] genehmigt ist, [...] einen schriftlichen Instandhaltungsvertrag mit einem gemäß Teil-145 […] genehmigten Instandhaltungsbetrieb […] zu schließen, in dem die Aufgaben gemäß den Punkten M.A.301-2, M.A.301-3, M.A.301-5 und M.A.301-6 festgelegt sind, wobei zu gewährleisten ist, dass alle Instandhaltungsarbeiten letztendlich von einem gemäß Teil-145 […] genehmigten Instandhaltungsbetrieb durchgeführt werden, und die Unterstützung der Qualitätssicherung gemäß Punkt M.A.712(b) festgelegt ist."
Outsourcing in der Luftfahrttechnik
Will der Instandhaltungsbetrieb seinerseits Unteraufträge vergeben, dann sind auch dafür spezielle Vorschriften einzuhalten. Wiederum finden sich die Einzelheiten in der Verordnung (EU) Nr. 2018/1139 und den Durchführungsbestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1321/2014.
Die wichtigste Regel findet sich in Anhang II (Teil-145) der Verordnung (EU) Nr. 1321/2014:
"145.A.75 Rechte des Betriebs Gemäß dem Handbuch ist der Betrieb zur Ausführung folgender Aufgaben berechtigt:
a) Luftfahrzeuge und/oder Komponenten, auf die sich seine Genehmigung erstreckt, an den in der Genehmigungsurkunde und im Handbuch angegebenen Standorten instand zu halten;
b) die Instandhaltung eines Luftfahrzeugs oder einer Komponente, auf die sich seine Genehmigung erstreckt, an einen anderen Betrieb zu vergeben, der im Rahmen des Qualitätssystems des Betriebs tätig ist; dies bezieht sich auf Arbeiten, die von einem nicht selbst zur Durchführung solcher Instandhaltungsarbeiten unter diesem Teil ausreichend genehmigten Betrieb und ist beschränkt auf den Arbeitsumfang gemäß den unter Punkt 145.A.65(b) aufgeführten Verfahren; dieser Arbeitsumfang darf keine „Base Maintenance"-Ereignisse eines Luftfahrzeugs oder ein vollständiges Instandhaltungsereignis in einer Werkstatt oder die Überholung eines Flugmotors oder Flugmotormoduls beinhalten; […]."
Will man diese Vorgaben auf den Punkt bringen, dann zeigt sich: Die Auftragsvergabe an den seinerseits nach Teil-145 genehmigten Instandhaltungsbetrieb unterliegt keinen besonderen Anforderungen. In diesem Fall ist schon durch die Genehmigung nach Teil-145 sichergestellt, dass der andere Betrieb über die erforderliche Qualifikation verfügt.
Eine Auftragsvergabe an nicht nach Teil-145 genehmigte Betriebe ist hingegen auf Teilaufgaben beschränkt: An den Unterauftragnehmer darf keine "Base Maintenance"-Ereignisse eines Luftfahrzeugs und auch kein vollständiges Instandhaltungsereignis in einer Werkstatt und keine Überholung eines Flugmotors oder Flugmotormoduls vergeben werden.
Die Auftragsvergabe an nicht nach Teil-145 genehmigte Betriebe setzt außerdem die entsprechend der Regelungen im Handbuch des nach Teil-145 genehmigten Auftraggebers vom Auftraggeber durchgeführte Überwachung und Qualitätskontrolle des Auftragnehmers voraus. Die dafür gewählte Formulierung ist zwar nicht ganz so leicht zu durchschauen, aber genau darum geht es bei der Tätigkeit des Auftragnehmers "im Rahmen des Qualitätssystems des Betriebs" und der Beschränkung "auf den Arbeitsumfang gemäß den unter Punkt 145.A.65(b) aufgeführten Verfahren".
Für den nach Teil-145 genehmigten Instandhaltungsbetrieb, der sich fragt, ob ein Outsourcing die richtige Vorgehensweise ist, bedeutet diese zwingende Regelung deshalb aber auch, dass mit der Auslagerung weder die eigene Verantwortung noch die eigene Arbeit endet. Das hat nicht nur zur Folge, dass sich dringend empfiehlt, die Auftragsvergabe in einem juristisch durchdachten Vertragswerk zu regeln. Vielmehr bedeutet es auch, dass der Auftragnehmer fortlaufend zu überwachen und zu kontrollieren ist. Damit das gelingt, wird zumindest die Qualitätssicherung auch über die nötige Fachkenntnis verfügen müssen. Am Ende wird deshalb auch die Anzahl der eigenen Mitarbeiter, die sich mit bestimmten Aufgaben befassen, durch die Auslagerung nicht in jedem Fall verringert.
Auslagerung bei Entwicklungs- und Herstellungsbetrieben
Für die Entwicklungs- und Herstellungsbetriebe der Luftfahrt ergeben sich nach der Verordnung (EU) Nr. 2018/1139 und ihren Durchführungsbestimmungen in der Verordnung (EU) Nr. 748/2012 ähnliche Anforderungen wie für den Instandhaltungsbetrieb.
Ableiten lässt sich eine allgemeine Erkenntnis, die sich auch tatsächlich bei weiterer Prüfung für viele Bereiche bestätigen lässt: In der Luftfahrt hat die Auslagerung nicht notwendigerweise immer auch eine Verringerung des eigenen Aufwands zur Folge, denn oft bleibt es dabei, dass der Auftraggeber die Verantwortung trägt und für die ordnungsgemäße Auftragsdurchführung zumindest durch eine ausreichende Überwachung sorgen muss.
Wichtig ist deshalb, dass immer dann, wenn die Frage nach dem Outsourcing sich stellt, genau geprüft wird, welche juristischen Anforderungen sich daran knüpfen und was deren Einhaltung für Folgen hat.