Vor 20 Jahren endete das Zeitalter der Überschall-Passagierflüge. Ende Juni 2003 stoppte Air France den Concorde-Betrieb, Ende Oktober 2003 folgte British Airways. Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth ist zwischen 1993 und 2003 achtmal mit der Concorde geflogen und hat mehrere Bücher über sie geschrieben und an TV-Dokumentationen mitgewirkt. In seiner vierteiligen Serie "Mythos Concorde" zeichnet er auf airliners.de das Ende des weißen Wundervogels nach.
airliners.de: Was waren die größten Errungenschaften der Concorde?
Jean-Louis Chatelain: Im Rückblick sind die Errungenschaften der Concorde größer als man denken würde. Am Anfang war das eine totale Herausforderung, aber die Konstrukteure erreichten ihre technologischen Ziele, und das Flugzeug funktionierte dann 25 Jahre mit Innovationen wie Fly-by-Wire und Karbonbremsen.
Es war das erste grenzüberschreitende Flugzeugprojekt überhaupt, ein internationales Abenteuer der Briten und Franzosen, und wir haben daraus eine Menge gelernt. Das ermöglichte später den Start von Airbus und weiterreichender internationaler Projekte. Für alle Beteiligten bot die Erfahrung aus dem Concorde-Projekt einen echten Vorteil. Airbus wäre heute nicht Airbus ohne die Concorde.
Das war so ein fortschrittliches Flugzeug, Airbus musste anschließend für seine Flugzeuge daraus nur extrapolieren. Natürlich basierte dann bei Airbus später das Fly-by-Wire-Verfahren nicht mehr auf analogen Computern wie bei der Concorde, sondern auf digitalen Rechnern.
Wie schneidet die Concorde im Vergleich zu den anderen Flugzeugen ab, die Sie in Ihrer Karriere geflogen haben?
Die Boeing 707, auf der ich 1970 angefangen habe, war ein wirklich grobes Flugzeug, aber dann zurückzugehen von einem technologisch so fortschrittlichen Flugzeug wie dem Airbus A340, den ich vor der Concorde flog, war kein Problem, die fliegerischen Grundlagen hatte ich ja.
Was ich lernen musste war der Überschallflug, weil ich keinen militärischen Hintergrund hatte. Sie müssen einfach ihre Flugplanung an die Geschwindigkeit anpassen. Sie sind dann plötzlich statt mit 15km/h pro Minute mit 37 km/h pro Minute unterwegs.
Über den Interviewpartner
Jean-Louis Chatelain, Jahrgang 1946, durfte als Flugkapitän bei Air France zwischen 2001 und 2003 die Concorde vom linken Sitz aus fliegen. "Ich erhielt im Alter von 57 Jahren meine Typenberechtigung für die Concorde, und zwar genau am Tag vor dem Unfall im Juli 2000. Der Absturz war daher ein dreifacher Schock für mich", erklärt Chatelain. "Normalerweise hätte ich das Flugzeug dann vier Jahre lang geflogen, so waren es nur 18 Monate." Insgesamt 400 Flugstunden legte er dabei in der Concorde zurück, davon 260 im Überschallflug, 92 einzelne Atlantiküberquerungen mit Mach 2 stehen in seinem Logbuch. Dazu kommen viele Charterflüge über die Bucht von Biskaya, ein Werkstattflug nach einem großen Wartungsereignis mit einem absichtlichen Abschalten eines Triebwerks bei Mach 2 über dem Atlantik, sowie der denkwürdige Flug vom 24. Juni 2003, als er die Air France-Concorde F-BVFB auf ihrem letzten Flug von Paris nach Karlsruhe/Baden überführte. Von dort wurde sie ins Auto & Technik Museum Sinsheim gebracht, wo sie seitdem auf dem Hallendach neben ihrer "Rivalin" Tupolew Tu-144 besichtigt werden kann.
Gab es jemals eine realistische Chance, dass Überschallflüge ein wichtiges Marktsegment hätten werden können?
Das Concorde-Projekt basierte nie auf einem Business-Plan. Die Entscheidung dafür fiel in Frankreich auf Regierungsebene zu Zeiten von Präsident Charles de Gaulle, die Concorde war eines der staatlichen Fortschrittsprojekte, genau wie die Atom-U-Bootflotte oder das Weltraumzentrum in Französisch-Guayana.
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