Machen wir uns nichts vor – der Kern des Produkts Fliegen ist heute absolut austauschbar: Die Flugzeuge sind alle die gleichen, die Sitze jedenfalls in Economy Class auch, egal auf welchem Erdteil. Ich war in den letzten Wochen auf mehreren Airline-Konferenzen, wo wiederholt das Thema aufkam: Wie kann man sich als Airline aus der Masse abheben? Während der Interiors Expo in Hamburg wurde immer wieder Air New Zealand gelobt, solange bis es den anwesenden Produktmanagern schon peinlich war. Aber das Lob kam zu Recht – keine andere Gesellschaft von Rang setzt sich so spielerisch und mit Freude über Konventionen hinweg. Das reicht von den wegweisenden Space Seats in Premium Economy Class, die so viel Platz bieten, dass damit vermutlich kein Profit zu machen ist, bis zu Scherzen aller Art. Mal tritt der CEO nur durch Body Painting „bekleidet“ in Werbespots auf, mal kann man wie vorletzte Woche an Bord einer A320 im Gang auf ausgerolltem grünem Teppich Golf spielen – Promotion für ein Turnier. Dank geschickter Nutzung von Social Media erfahren das auch Menschen, die wahrscheinlich nie einen Fuß ins Land der Kiwis setzen werden. Sowas nennt man Markenbildung, und die ist heute wichtiger denn je.
Darüber wurde schon auf der Hamburg Aviation Conference im Februar berichtet. Ein Referent stellte eine Umfrage vor, in der Passagiere unabhängig von ihren eigenen konkreten Reiseplänen gefragt wurden, mit welcher Airline sie gern einmal fliegen würden. Sieger: Emirates. Und auch das ist Kalkül, weiß ich, weil ich die Überflieger aus Dubai und ihre Akteure sehr gut kenne. „Wenn eine Airline es schafft, Duschen und eine großzügige Bar-Lounge in ihre A380 einzubauen, so muss das eine gute Gesellschaft sein.“ So in etwa lautet die Formel, die Emirates mit enormem Werbeaufwand wie gerade in ihrer neuen Kampagne in die Köpfe implantieren will. Natürlich wird nur ein Milli-Promille aller Emirates-Passagiere jemals in einer A380 duschen und auch nur ein Bruchteil am Bar-Tresen der Onboard-Lounge Champagner trinken. Ich habe beides schon gemacht und kann sagen: Die Bar ist grandios, die Dusche „nice to have“, mehr nicht.
Trotzdem scheinen sich beide Einrichtungen über die konkrete Bedeutung für den Nutzer hinaus für die Airline auszuzahlen: als Leuchtfeuer für die Erscheinung ihrer Marke. Und natürlich unterscheidet sich trotzdem die Erfahrung einer Reise in der Emirates-Economy-Class kaum von der mit einem Wettbewerber – aber es ist eben „die Airline mit den fliegenden Duschen“.
Ganz besonders clever geht auch Singapore Airlines (SIA) vor, die seit jeher vom Mythos um ihre „Singapore Girls“ und ihrem als „legendär“ gepriesenen Bordservice lebt. Letzte Woche war ich dabei, als SIA sich wieder einmal gekonnt selbst feierte. Dazu diente ein Anlass, der auf den ersten Blick vielleicht nicht so schlagzeilenträchtig ist: Der letzte Passagierflug einer SIA-747. Der Jumbo hat SIA seit 1973 groß gemacht, es flogen mal 39 davon in der Flotte. Die Perfektion, mit der die Asiaten sich und ihre Marke dabei am Karfreitag inszenierten, war atemberaubend, vor allem im Vergleich zu der eher faden Vorstellung der Japaner von ANA bei der Interkontinental-Weltpremiere der Boeing 787 vor kurzem.
SIA hatte eigens den „Gedenkflug“-Umlauf SQ747 und SQ748 aufgelegt von Singapur nach Hongkong und zurück. Da wird nichts dem Zufall überlassen: Schon die Check-in-Schalter zieren historische 747-Bilder, Poster weisen auf das Ereignis hin. Am Gate warten ein Buffet, eine Fotoausstellung, Reden sowie schwungvolle Tanz- und Gesangsdarbietungen, da ist keine Minute langweilig. Hostessen fotografieren Passagiere mit Sofortbildkameras, wie sie mit Stewardessen posieren. Jeder erhält eine dicke Tüte mit speziellen Souvenirs vom Stift über ein 747-Modell, ein Zertifikat und eine Gedenkbroschüre. Alles gut durchdacht und perfekt präsentiert.
An Bord geht der Zirkus weiter – alle 350 Passagiere stoßen mit Champagner auf die 747 an, es gibt ein Bingospiel mit dem Hauptgewinn eines Cockpit-Besuchs. Ein fröhliches Gewusel, alle sind guter Laune, auch Economy-Passagiere dürfen mal im First-Class-Sessel ein Erinnerungsfoto schießen. Dazwischen tummeln sich rüstige SIA-747-Crew-Veteranen, die selig aus alten Zeiten berichten. Besser kann man seinem eigenen Markenmythos nicht huldigen. Und die Leute lieben es und zahlen dafür – ich traf sogar eigens angereiste Passagiere aus Hamburg. Da liegt die Messlatte hoch für Lufthansa und ihre demnächst anstehende 747-8-Premiere.