Wohl beinahe alle Luftfahrtbehörden der Welt erlassen Lufttüchtigkeitsanweisungen. Vorgeschrieben werden damit technische Maßnahmen an Luftfahrtgerät, manchmal müssen Luftfahrzeuge sogar am Boden bleiben. Was hat es damit auf sich?
In der EU ist die Easa zuständig
Die US-amerikanische Federal Aviation Administration (FAA) und viele andere Luftfahrtbehörden haben eigene Zuständigkeiten und Vorschriften für den Erlass von Lufttüchtigkeitsanweisungen. Die Behörden tauschen sich dazu auch untereinander aus oder gucken zumindest, was die übrigen Behörden gerade veröffentlicht haben. Die Anweisungen der FAA und einiger anderer Luftfahrtbehörden werden in Europa sogar von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (European Aviation Safety Agency, Easa) auf ihrer Spezialwebseite veröffentlicht.
Innerhalb der Europäischen Union ist es die Easa, die dafür zuständig ist, allgemeinverbindliche Lufttüchtigkeitsanweisungen zu erlassen.
Lufttüchtigkeitsanweisungen der Easa
Die Rechtsgrundlage für den Erlass von Lufttüchtigkeitsanweisungen findet sich in der Verordnung (EU) Nr. 748/2012. Diese Verordnung regelt die Entwicklung und die Herstellung von Luftfahrzeugen und zugehörige Sachthemen. Anhang I, der sogenannte Teil-21, beinhaltet auch die Vorschrift 21.A.3B.
Danach sind Lufttüchtigkeitsanweisungen (airworthiness directives, AD) von der Easa ausgestellte oder gebilligte Dokumente, durch die an einem Luftfahrzeug Maßnahmen zur Wiederherstellung einer ausreichenden Sicherheit vorgeschrieben werden, wenn erkennbar ist, dass dessen Sicherheit sonst gefährdet sein könnte.
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Die Easa muss nach dieser Regelung immer dann eine Lufttüchtigkeitsanweisung ausstellen, wenn sie an einem Luftfahrzeug aufgrund eines Mangels an diesem oder an einem darin eingebauten Motor, Propeller, Bau- oder Ausrüstungsteil einen unsicheren Zustand festgestellt hat und dieser Zustand auch in anderen Luftfahrzeugen vorliegen oder auftreten könnte.
Die Lufttüchtigkeitsanweisung muss immer auch konkrete Vorgaben dazu machen, was zu tun ist, um den unsicheren Zustand zu beheben und wieder einen sicheren Zustand des Luftfahrzeugs herzustellen. Zu diesem Zweck müssen in der Lufttüchtigkeitsanweisung sowohl der unsichere Zustand als auch die Maßnahmen zu seiner Behebung benannt sein.
Mitwirkungspflichten der Hersteller und jedes Luftfahrzeugbetreibers
Damit es für die Easa überhaupt möglich ist, die richtigen Behebungsmaßnahmen in einer Lufttüchtigkeitsanweisung zu beschreiben, sind die Inhaber der einschlägigen Produktzulassung (das heißt Musterzulassung, eingeschränkten Musterzulassung, ergänzenden Musterzulassung, Genehmigung für erhebliche Reparaturverfahren, ETSO-Zulassung oder jeder anderen einschlägigen, gemäß der Verordnung (EU) Nr. 748/2012 erteilten Genehmigung) zur Mitwirkung verpflichtet: sie müssen die erforderlichen Informationen für die Behebung des unsicheren Zustands zur Verfügung stellen (siehe erneut 21.A.3B).
Jeder, der ein von der Lufttüchtigkeitsanweisung erfasstes Luftfahrzeug betreibt, muss die von der Easa erlassene Lufttüchtigkeitsanweisung befolgen. Im deutschen Verwaltungsrecht würde man die Lufttüchtigkeitsanweisung deshalb auch “Allgemeinverfügung” nennen, es handelt sich um einen an eine Vielzahl betroffener Personen gerichteten Verwaltungsakt, der regelt, was zu tun ist.
Die Umsetzungspflicht lässt sich der Verordnung (EU) Nr. 1321/2014 entnehmen, die Vorschriften zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit und Instandhaltung von Luftfahrzeugen beinhaltet. Nach der in Anhang I, dem sogenannten Teil-M, beinhalteten Regelung in M.A.301 ist jeder, der für die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit eines Luftfahrzeugs verantwortlich ist, auch zur Umsetzung der Lufttüchtigkeitsanweisungen der Easa verpflichtet. Ausnahmen können nur von der Easa genehmigt werden (M.A.303) oder als besondere Ausnahme von der Luftfahrtbehörde zugelassen sein, in deren Zuständigkeit das Luftfahrzeug registriert ist (Verordnung (EU) Nr. 2018/1139 Artikel 71 - Flexibitätsbestimmungen).
Meist sind es deshalb die Luftfahrtunternehmen, die für die Umsetzung der Lufttüchtigkeitsanweisungen sorgen müssen und dafür das Luftfahrzeug in einen Instandhaltungsbetrieb bringen. Die Instandhaltungsbetriebe sind allerdings ihrerseits auch noch gesondert zur Einhaltung der Lufttüchtigkeitsweisungen verpflichtet (M.A.401).
Wenn die Lufttüchtigkeitsanweisung nicht eingehalten wird, dann darf das Luftfahrzeug nicht mehr betrieben werden.
Verstoß führt zu Sanktionen
Wird eine Lufttüchtigkeitsanweisung der Easa nicht umgesetzt, dann ist das ein Verstoß gegen die Vorgaben von Teil-M. Ein solcher Verstoß wird, wenn er von der Luftfahrtbehörde bemerkt wird, die die Aufsicht führt, zu einer Beanstandung führen.
Das ist besonders für Luftfahrtunternehmen gravierend, denn bei besonders schweren Verstößen, die zu einer Gefährdung der Flugsicherheit führen, kann dies auch zur Aussetzung oder dem Widerruf ihrer CAMO-Genehmigung führen, die jedoch unverzichtbar notwendig ist, um Passagiere oder Fracht befördern zu dürfen. Eine Level-1-Beanstandung nach M.A.716 in Verbindung mit M.B.705 (beide Vorschriften finden sich wiederum in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 1321/2014) ist deshalb auf jeden Fall zu vermeiden.
Bei einer Nichteinhaltung einer Lufttüchtigkeitsanweisung kann es sich auch um eine Ordnungswidrigkeit handeln, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Dazu verweist § 16 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe f) der deutschen Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät (LuftGerPV) auf § 58 Absatz 1 Nummer 13 des Luftverkehrsgesetzes und regelt, dass ordnungswidrig handelt, wer entgegen M.A.401 Buchstabe a) andere als die dort genannten Instandhaltungsunterlagen verwendet. Diese Ordnungswidrigkeit kann deshalb auch mit dem in § 58 LuftVG geregelten Bußgeld geahndet werden.
Allerdings richtet sich die Regelung in M.A.401 an Personen oder Betriebe, die ein Luftfahrzeug instandhalten. Für alle anderen, sogar für Luftfahrtunternehmen, kann es deshalb fraglich sein, ob die Nichtbefolgung einer Lufttüchtigkeitsanweisung tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Die Ordnungswidrigkeit kann sich jedoch nach § 16 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a) LuftGerPV auch wegen Verstoßes gegen M.A.201 ergeben, der die Voraussetzungen für die Flugdurchführung benennt und damit auch die technisch richtige Instandhaltung erfordert. Ohnehin aber kann es angesichts der oben bereits geschilderten Folgen im Fall einer Beanstandung keine Gleichgültigkeit geben, sondern bleibt es bei der Feststellung, dass Lufttüchtigkeitsanweisungen der Easa befolgt werden müssen.