Zwischen den Fluggesellschaften Condor und Lufthansa bahnt sich ein scharfer Konflikt an. Die Lufthansa hat zum kommenden Mai ein langjähriges Vertriebsabkommen gekündigt, wie beide Seiten am Freitag in Frankfurt bestätigten. Zuerst hatte das "Handelsblatt" berichtet.
Eine Condor-Sprecherin betonte, dass die Vereinbarung zunächst bis Ende Mai uneingeschränkt weiter gelte. Man prüfe derzeit Optionen für die Zeit danach. Ein Lufthansa-Sprecher begründete das Vorgehen damit, dass man gerade im Zeichen der Corona-Krise die eigenen Flugzeuge auslasten müsse. Einfaches Interlining sei weiterhin möglich, Condor-Passagiere jederzeit weiterhin herzlich willkommen.
Bei dem sogenannten "Special Pro Rate Agreement" geht es allerdings um mehr als nur einfaches Interlining. Bislang konnte Condor notwendige Zubringerflüge intern bei der Lufthansa zubuchen und dabei sogar Preise weitestgehend eigenständig festlegen. Beim Interlining dagegen bestimmt die Zubringer-Airline die verfügbaren Kapazitäten für den Partner, sodass Condor nicht mehr fest mit Plätzen für ihre Kunden rechnen kann.
Das Lufthansa-Manöver wird daher auch das Veranstaltergeschäft mit Pauschalreisen beeinflussen. Vor der Corona-Krise galt der Ferienflieger Condor besonders wegen seines Angebots zu touristischen Langstreckenzielen in Übersee als unentbehrlich für die Reisebranche, die stets einen Gegenpol zur mächtigen Lufthansa haben wollte.
Condor fühlt sich an die Wand gedrückt und wirft dem Kranich-Konzern vor, einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Markt drängen zu wollen. Die mit Steuergeldern gerettete Lufthansa versuche mit der Kündigung, ein ebenfalls vom Staat gestütztes Unternehmen aus dem Markt zu drängen und die eigene Monopolstellung auszubauen, heißt es.
Der Ferienflieger hatte in der Vor-Corona-Zeit dem Vernehmen nach jährlich zwischen 60 und 65 Millionen Euro für die Teilstrecken an die Lufthansa überwiesen. Es sei unverständlich, dass sich Lufthansa diesen Umsatz entgehen lassen wolle.
Lufthansa begründete das Vorgehen damit, dass man gerade im Zeichen der Corona-Krise die eigenen Flugzeuge auslasten und damit Arbeitsplätze sichern müsse. Es gilt in der Branche als sicher, dass nach der Pandemie die touristische Nachfrage schneller wieder anziehen wird als die von Geschäftsreisenden.
Schon vor der Pandemie hatte der Lufthansa-Konzern angekündigt, mehr touristische Ziele auch auf der Langstrecke selbst anbieten zu wollen. Erste Versuche mit der Tochter Eurowings sollen mit dem bei Gewerkschaften umstrittenen Projekt "Ocean" ausgebaut werden - und zwar in direkter Konkurrenz zu Condor.
Konkurrenzflugplan zu Condor steht bereits
Denn der nach der Thomas-Cook-Pleite unabhängige Ferienflieger Condor bekommt nun an ihrer Heimatbasis in Frankfurt verstärkt Konkurrenz von Lufthansa. Die neue Billig-Langstreckenplattform "Ocean" soll ab dem neuen Sommerflugplan unter dem Markennamen Eurowings ein halbes Dutzend Routen aufnehmen. Pikant daran: Sie stehen allesamt auch im Condor-Flugplan.
So fliegt Lufthansa ab Ende März ebenfalls nach Punta Cana in der Dominikanischen Republik und nach Mombasa (Kenia) - mit einem Weiterflug nach Sansibar (Tansania). Ab Anfang Juni geht es dann auch mit Eurowings nach Anchorage in Alaska (USA). Darüber hinaus wird der Lufthansa-Konzern auch Mauritius und Male auf den Malediven anbieten.
Bislang werden die touristischen Strecken der Lufthansa Group von der Mainline selbst, Lufthansa City Line, Brussels Airlines und auch bis zu ihrer Auflösung von Sunexpress Deutschland durchgeführt. Die Mittelstrecken bedient Eurowings und - ebenfalls bis zur Auflösung - Germanwings. Mit der Bündelung auf ein AOC will der Konzern mehr Klarheit und einfachere Strukturen schaffen. Spätesten bis Ende 2021 soll die neugegründete Konzern-Airline demnach unter einem eigenen Luftverkehrsbetreiberzeugnis (AOC) operieren.
Kritik kommt dabei von den Gewerkschaften. Lufthansa wehrt sich aber gegen den Vorwurf, durch die Gründung ihrer neuen Ferienfluggesellschaft in der Corona-Krise Tariflöhne zu umgehen. In der Tat stehen die Beschäftigten bei "Ocean" schlechter als bei den bisherigen Betreibern der Eurowings-Langstrecke. Das liegt aber nicht daran, dass die Grundvergütung per se schlechter wäre, als sie es bei Sun Express Deutschland oder Brussels im Vergleich zur Mainline ohnehin schon war. Vielmehr erhalten alle Beschäftigten bei "Ocean" zunächst nur 70-Prozent-Verträge, was zumindest am Anfang zu entsprechend weniger Netto führt.
Die Condor hatte erst in dieser Woche das Schutzschirmverfahren verlassen, das sie seit Herbst 2019 nach der Pleite der britischen Mutter Thomas Cook durchlaufen hatte. Ein neuer Investor war nicht gefunden worden, nachdem zu Beginn der Corona-Krise die bereits fest verabredete Übernahme durch die polnische Lot-Mutter PGL geplatzt war. Bereits damals hatte Lufthansa mit einer Kündigung der Zubringerdienste gedroht. Nach einer erneuten Umschuldung ist die Condor nun mit Hilfe eines langfristigen, 550 Millionen Euro schweren Kredits der staatlichen KfW-Bank unterwegs und damit nicht von einem größeren Konzern wirtschaftlich geschützt.
Condor erwägt rechtliche Schritte
Für den Condor-Chef und früheren Lufthanseaten Ralf Teckentrup sind jedenfalls die guten alten Zeiten endgültig vorbei. Unternehmenskreisen zufolge lässt er prüfen, welche wettbewerbsrechtlichen Schritte gegen die Lufthansa möglich sind. In den Augen der Condorianer missbraucht der Kranich-Konzern seine marktbeherrschende Stellung auf der Kurz-und Mittelstrecke, um ein weiteres Monopol auf der touristischen Fernstrecke aus Deutschland zu errichten. Hier war bis vor wenigen Jahren auch noch die zwischenzeitlich verblichene "Air Berlin" unterwegs.
Unterstützung erhält Condor vom zweitgrößten deutschen Veranstalter DER Touristik. "Den Nachteil aus dem Ende der LH-Zubringerflüge für die Condor-Langstrecke haben die Verbraucher", sagte DER-Chef Sören Hartmann auf Anfrage. Er betonte die Sonderstellung der Lufthansa im deutschen Flugverkehr, aus der sich eine besondere Verantwortung gegenüber den Reisenden ergebe. "Der Staat rettet mit seiner Hilfe aktuell Lufthansa. Diese Hilfe sollte nicht dazu verwendet werden, deutsche Wettbewerber aus dem Markt zu drängen und das Reisen komplizierter zu machen.
Vor Corona hatten die beiden Gesellschaften in friedlicher Koexistenz agiert, war man doch lange miteinander verbunden gewesen. Schon bei Gründung der Ferienfluggesellschaft Condor im Jahr 1955 gehörte Lufthansa zu den Eignern und übernahm vier Jahre später die komplette Airline, die dank reiselustiger Wirtschaftswunder-Deutscher zwischenzeitlich zur weltgrößten Ferienfluggesellschaft avancierte. 1997 brachte Lufthansa die Tochter in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem späteren Thomas-Cook-Konzern ein, bei dem Condor schließlich komplett landete und bis zur Pleite 2019 flog.