Die Aktionäre der Lufthansa haben grünes Licht für das milliardenschwere staatliche Rettungspaket für den schwer von der Corona-Krise getroffenen Luftfahrtkonzern gegeben. Bei der außerordentlichen Hauptversammlung am Donnerstag lag die Zustimmung bei 98 Prozent, wie die Lufthansa mitteilte.
Nach Angaben der Lufthansa waren bei der Hauptversammlung 39,0 Prozent des Grundkapitals vertreten. 98 Prozent des anwesenden Kapitals hätten für die Annahme der Beschlussvorlage gestimmt - deutlich mehr als die notwendige Zweidrittelmehrheit.
Konzernchef Carsten Spohr begrüßte die Entscheidung der Anteilseigner, diese sichere dem Unternehmen eine Zukunftsperspektive. "Wir Lufthanseaten sind uns unserer Verantwortung bewusst, die bis zu neun Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen."
Ohne Rettungspaket "kein Geld mehr"
Im Ringen um das staatliche Rettungspaket hatte die Lufthansa-Spitze den Druck auf die Aktionäre zuvor erhöht. "Wir haben kein Geld mehr", sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Konzerns. Ohne das Unterstützungspaket von neun Milliarden Euro, für das bei der Hauptversammlung eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, drohe der Airline "in den nächsten Tagen" die Insolvenz.
Wann genau es zur Zahlungsunfähigkeit käme, wollte auch der Vorstand auf Nachfrage nicht sagen. Eine Insolvenz oder ein abgeschwächtes Schutzschirmverfahren sei "kein Drohszenario, sondern eine reale Gefahr", sagte Personal- und Rechtsvorstand Michael Niggemann. Dies wäre nach seinen Worten im Fall einer Ablehnung des Staatseinstiegs durch die Hauptversammlung nur noch abzuwenden, wenn sich eine andere Finanzierungslösung fände, die sich aber nicht abzeichne.
Die benötigten Hilfen hätte man in der Kürze der Zeit nicht unabhängig vom Staat auf dem Kapitalmarkt auftreiben können, sagte Spohr bei der Hauptversammlung. Diese wurde wegen der Pandemie übers Internet abgehalten. Zwar habe auch der Aufsichtsrat Bedenken bei einigen Punkten, führte Kley weiter aus. Allerdings diene der umstrittene Einstieg des Staats nur der Stabilisierung der Lufthansa und sei lediglich vorübergehend. Der Bund werde nicht in die Geschäfte eingreifen, versicherte Kley. Mehr habe der Vorstand bei den Gesprächen mit der Bundesregierung nicht durchsetzen können.
Vor der außerordentlichen Hauptversammlung hatte Großaktionär Heinz Hermann Thiele erklärt, dass er dem Rettungspaket zustimmen werde. Wegen der schwachen Beteiligung der übrigen Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade. Im Vorfeld hatte sich der Selfmade-Milliardär kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert.
Am Morgen hatte die EU-Kommission dem Rettungsplan final zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss. Die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden." Konkurrent Ryanair kündigte dennoch eine Klage gegen die Beihilfen an.
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Der Lufthansa-Vorstand verteidigte vor der Abstimmung noch einmal das mit der Bundesregierung verhandelte Paket aus Beteiligung, stillen Einlagen und Kredit als "alternativlos". Mehr sei nicht durchsetzbar gewesen. Das Konzept bedeute für Lufthansa in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle und strukturelle Belastungen, sagte Aufsichtsratschef Kley.
"Für den Staat ist es ein durchaus lukratives Geschäft." Dennoch gebe die Vereinbarung dem Unternehmen Raum und Zeit, um die Krise zu überwinden. Davon profitierten letztlich auch die Aktionäre. Spohr zeigte sich zuversichtlich, die Einlagen und Kredite fristgerecht zurückzahlen oder refinanzieren zu können. Man sei auch nicht verpflichtet, Kredit und Einlagen mit später hohen Zins-Coupons in voller Höhe abzurufen.
Lufthansa hatte für den Fall eines Scheiterns angekündigt, schnell ein so genanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen. Diese mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht wird bereits beim Ferienflieger Condor angewendet und gibt dem Management weitgehend freie Hand, bestehende Verträge auch mit dem eigenen Personal zu kündigen. Das ist nun nicht mehr nötig. Den rechnerischen Überhang in der Corona-Krise hatte der Konzern mit weltweit 138.000 Beschäftigten auf 22.000 Vollzeitstellen beziffert, davon die Hälfte in Deutschland.
Einigung mit Verdi und Vereinigung Cockpit steht noch aus
Mit den Gewerkschaften ist das Unternehmen in weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu umfangreichen Kostensenkungen. Als erste hat ausgerechnet die zuvor so streitbare Kabinengewerkschaft Ufo einem Krisenpaket zugestimmt, das Lufthansa auch ohne Kündigungen bis Ende 2023 mehr als eine halbe Milliarde Euro einsparen hilft.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bezeichnete den geplanten Rettungsweg als schwierigen, aber alternativlosen Kompromiss. Das Unternehmen müsse sich nun auf die dringenden operativen Herausforderungen konzentrieren, sagte VC-Präsident Markus Wahl. Die Piloten wollten dazu mit einem weitreichenden Einsparangebot ihren Beitrag leisten.
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Auch Verdi begrüßt die Zustimmung der Lufthansa-Aktionärshauptversammlung zum staatlichen Rettungspaket. Nun müsse der "Schutz der Beschäftigten zentral in den Fokus von Politik und Unternehmen rücken", sagte Verdi-Vorsitzende und Lufthansa-Aufsichtsratsmitglied Christine Behle. "Mit den Staatshilfen müssen jetzt auch Arbeitsplätze und Einkommen gesichert werden."
Vor den Aktionären hatte Lufthansa-Chef Spohr die Gespräche mit Verdi als "enttäuschend" bezeichnet. Die Gewerkschaft, die vor allem Beschäftigte am Boden vertritt, wollte erst am Freitag mit den Verhandlungen fortfahren.
Das Lufthansa-Rettungspaket hat viele Facetten
Die Corona-Pandemie mit den Reisebeschränkungen hat die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Millionen Euro, so dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein. Lufthansa-Chef Spohr erwartet, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. Beim Gewinn traut sich der Konzern nach Niggemanns Worten allerdings bereits für 2022 zu, das Vorkrisenniveau zu erreichen.
Das Rettungspaket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung für rund 300 Millionen Euro Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Airline aufzubauen. Er zahlt dafür nur den Nennwert von 2,56 Euro, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurses. Für den Fall einer feindlichen Übernahme könnte der Staat weitere Anteile aktivieren, um eine Sperrminorität zu erreichen. Zudem sind stille Einlagen von 5,7 Milliarden sowie ein KfW-Kredit von drei Milliarden Euro geplant.