Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler Equity Research hat davor gewarnt, dass der Industriesektor Luftfahrt von großen Teilen der Öffentlichkeit zunehmend negativ gesehen wird. Die wachsenden Forderungen nach einer Ausweitung von Nachtflugverboten in Frankfurt, Berlin und anderswo würden dies beispielhaft zeigen, sagte der auf das Transportwesen spezialisierte Wirtschftsanalyst jetzt im Rahmen einer "Aviation-Event"-Tagung am Flughafen Frankfurt.
Seit dem Erstflug des Doppelstock-Airbus A380 Mitte des letzten Jahrzehnts habe es für die hiesige Branche praktisch nur noch negative Nachrichten gegeben, sagte Pieper. So etwa die technischen Probleme des A380 in der Folgezeit der Auslieferungen, der schleichende Niedergang von Air Berlin, die vermutlich nur dank der Kapitalzuflüsse von Miteigner Etihad noch nicht im Insolvenzverfahren sei, das andauernde BER-Drama und die von der Bundesregierung einseitig verfügte Sondersteuer auf Flugtickets, sind weitere Auszüge aus dem Negativ-Katalog.
Es ist höchste Zeit für einen grundlegenden Wertewandel der deutschen Gesellschaft in Sachen Luftfahrt.
Jürgen Pieper
Ein Wandel dieses Trends hin zu einer breit angelegten positiven Wahrnehmung der Branche müsste von der Politik nicht nur unterstützt, sondern vorangetrieben werden. Denn der Luftverkehr sei für die deutsche Wirtschaft und die Aufrechterhaltung des Wohlstands hierzulande vital.
Speziell durch die partielle Schließung Frankfurts werde der deutschen Wirtschaft die Verbindung zum Weltmarkt stückweise abgeschnitten, was mittel- und langfristig zur Verlagerung von Transportprozessen führe und erhebliche negative Auswirkungen auf die deutschen Airlines sowie die internationale Konkurrenzfähigkeit der hiesigen Firmen habe, so der Analyst.
Zugleich monierte Pieper die Halbherzigkeit der deutschen Politik, die dem lautstarken Drängen von medial gut vernetzten und kampagnenfähigen Interessengruppen nach regulativen Eingriffen zur Reduzierung des Luftverkehrs tendenziell entgegenkomme. Typisches Beispiel sei das Frankfurter Nachtflugverbot, das die Forderungen von Anliegergruppen teilweise befriedige, dem Wirtschaftsstandort Deutschland aber schade.
Der Airport sei der mit Abstand wichtigste Platz für direkte und indirekte Beschäftigung im Bundesland Hessen und damit auch Quelle hoher Steuereinnahmen für die Landeskasse. "Ich befürchte, es wird an deutschen Flughäfen noch mehr Betriebseinschränkungen geben", sagte der Analyst in Hinblick auf das generelle gesellschaftliche Klima und das Ruhebedürfnis der Generation "Sechzig Plus" mit ihrem ausgeprägten Industrieskeptizismus.
Dort Klotzen, hier Zaudern
Dabei brauche die hiesige Luftfahrt von der Politik abgesichert faire Rahmenbedingungen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Die meisten kleineren Airlines wie etwa Cirrus oder Augsburg Airways seien bereits verschwunden und Lufthansa befinde sich, was ihre Rolle in der Weltluftfahrt betrifft, auf dem stufenweisen Rückzug. Sie führe einen doppelten Abwehrkampf: Einerseits seien es auf ihrem europäischen Heimatmarkt die aggressiv vordringenden Discounter wie etwa Easyjet, Norwegian oder Ryanair, die ihr zunehmend Geschäft abjagten. Andererseits machten ihr auf Langstrecken immer mehr Carrier der Golf-Region und vor allem die teilstaatliche Turkish Airlines zu schaffen.
Die Konkurrenten hätten standortbedingt deutlich niedrigere Stückkosten, wodurch sie vergleichsweise billigere Tickets anbieten könnten. Zudem wüchsen deren Flotten rapide ebenso wie ihre infrastrukturellen Bodenkapazitäten. Der geplante türkische Riesenflughafen am Schwarzen Meer illustriere dies exemplarisch, sagte Pieper.
Mit Blick auf die langfristige Entwicklung der Lufthansa-Aktie sagte Pieper: Es sei angesichts der negativen Rahmenbedingungen nicht verwunderlich, dass das Kranich-Papier trotz aller temporären Schwankungen zu den Underperformern im DAX gehöre. Bei der Volatilität des Luftfahrtgeschäfts, der immer härter werdenden Konkurrenz und den bremsenden politischen Eingriffen seien höhere Margen dauerhaft nur schwer im Passagegeschäft der Lufthansa zu erzielen, lautet sei Resümee. Und dies, obwohl immer mehr Menschen aus Frust über die Dauerstaus auf Autobahnen und Straßen das Flugzeug nutzten für Reisen innerhalb Deutschland oder das benachbarte Ausland.