Nach der angekündigten Neustrukturierung der Pilotenausbildung haben Betriebsrat und Gewerkschaften Kritik am Kurs der Lufthansa geübt. Das Unternehmen verschleiere gezielt die vollständige Schließung der seit 1955 bestehenden Verkehrsfliegerschule in Bremen, hieß es in einer Mitteilung des Betriebsrates der Pilotenschule Lufthansa Aviation Training Germany und der Gewerkschaften Verdi und Vereinigung Cockpit.
Die Zusage, dass der Standort Bremen als Theoriekompetenzzentrum für die Pilotenausbildung erhalten bleibe, während die fliegerische Ausbildung komplett nach Rostock-Laage verlagert werde, bedeute trotzdem, dass alle über 100 Angestellten der Lufthansa Aviation Training Germany am Standort Bremen ihren Arbeitsplatz verlören, kritisierte Betriebsratschefin Monika Kremer.
Lufthansa hatte zuletzt angekündigt, dass die praktische Ausbildung in Bremen beendet, der Standort für theoretischen Unterricht jedoch erhalten werden solle. "Hier sollen auch die zukunftsgerichteten, digitalen Module für die theoretische Pilotenausbildung entwickelt werden", teilte die Airline mit.
VC: Entscheidung gegen "Tradition, Qualität und Tarifbindung"
Die traditionsreiche Flugschule werde in ihrer Gesamtheit jedoch bis Mitte 2022 geschlossen, darüber seien die Mitarbeiter in der vergangenen Woche intern informiert worden, erklären VC und Arbeitnehmervertreter. Der Teil der Ausbildung, der in Bremen verbleibe, werde nicht von der mittlerweile unter dem Namen Lufthansa Aviation Training Germany (LAT DE) firmierenden Flugschule durchgeführt. Stattdessen existiere mit der Lufthansa Aviation Training Pilot Academy (LAT PA) seit 2001 eine weitere Flugschule, in der die sonst im Lufthansa Konzern gültigen Tarifverträge keine Anwendung finden würden. Die Angestellten dort arbeiteten zu deutlich schlechteren Rahmenbedingungen als die Mitarbeitenden der LAT DE. Diese Schule unterrichte die Theorie ebenfalls in Bremen, der praktische Teil finde jedoch am Flughafen in Rostock-Laage statt.
Für den LAT-Fluglehrer Philipp Walker macht die Neu-Strukturierung der Ausbildung auch wirtschaftlich keinen Sinn, abgesehen von der "Tarifflucht". Denn mit dem Übergang der praktischen Ausbildung nach Rostock solle diese künftig nicht mehr Cessna Citation Jets stattfinden, sondern mit Propeller-Flugzeugen. Die seien zwar Anfangs leichter zu beherrschen, doch der Übergang nach der Ausbildung auf die großen Jets der Lufthansa-Airlines falle umso schwerer. Das sei nur mit zusätzlichem, teuren Simulatortraining zu bewerkstelligen. "Wir erleben einen Rückschritt bei der Ausbildungsqualität, den ich mir nur mit einem Frontalangriff auf tarifierte Arbeitsplätze im Konzern erklären kann."
Marcel Gröls, Vorsitzender Tarifpolitik bei der VC, kritisiert nun die Politik, den Konzern in dieser Frage gewähren zu lassen: "Die Bundesregierung zieht sich bei der Lufthansa mit dem Standpunkt aus der Affäre, man mische sich nicht ins Tagesgeschäft ein. Die Lufthansa macht hier aber kein Tagesgeschäft, sondern trifft Grundsatzentscheidungen: Gegen Tradition, Qualität und Tarifbindung." Wenn sich der Bundeswirtschaftsminister dafür nicht interessiere, könne er auch konsequenterweise die beiden Staatsvertreter aus dem Aufsichtsrat zurückziehen.