"Unser geografischer Vorteil ist weg", © AirTeamImages.com/Jose Soria
In den Triebwerken eines startenden Airbus A350 von Finnair kondensiert die Luftfeuchtigkeit. © AirTeamImages.com / Jose Soria
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Hinweis: Zum Jahreswechsel veröffentlichen wir ausgewählte airliners+-Artikel der vergangenen Monate nochmals – aber ohne Paywall. Dieser Artikel ist erstmals am 27.09.2022 erschienen.

Fast hundert Flüge pro Woche zu mehr als 20 Zielen in Asien hatte Finnair vor der Pandemie im Flugplan stehen. Dank der geografischen Lage am nordöstlichen Rand Europas war Helsinki als Hub prädestiniert dafür, Passagiere in weniger als neun Stunden nach Tokio und in ebenfalls erheblich kürzerer Flugzeit als von anderen europäischen Drehkreuzen aus etwa nach China und Korea zu fliegen. Jetzt ist alles anders, und Finnair muss sich neu definieren. Ein Interview mit Topi Manner, dem CEO von Finnair.

airliners.de: Haben Sie jemals Pläne für den Fall gemacht, dass Finnair nicht mehr russischen Luftraum nutzen dürfte?

Topi Manner: Die Möglichkeit, dass der russische Luftraum geschlossen werden könnte, war immer Teil unserer Risikobetrachtung. Wir wussten, dass das ein Problem wäre, sollte dieser Fall je eintreten. Daher hatten wir uns in gewisser Weise auf dieses Szenario vorbereitet. Worauf wir nicht eingestellt waren, war eine zweieinhalbjährige Pandemie und im Anschluss die russische Luftraumschließung.

Wie war Ihre unmittelbare Reaktion auf die russische Invasion im Februar?

Wir waren durch die Pandemie ja noch im Krisenmodus, daher konnten wir auf den Ukraine-Krieg unmittelbar reagieren. Ich glaube, das haben wir auch unseren Kunden und der Luftfahrtbranche gezeigt. Wir haben ein neues Streckennetz eingeführt, den Wet-Lease-Betrieb ausgebaut und weitere Kostensenkungen angestoßen. Diese Maßnahmen kamen noch direkt aus unserem Corona-Krisenszenario. Nach der russischen Invasion waren wir etwa eine Woche damit beschäftigt, neue Routen nach Japan auszuarbeiten.

Wir fliegen jetzt nach Tokio über den Nordpol und zurück auf südlicher Route, abhängig von den Winden. Vor der Luftraumsperrung dauerte ein Flug nach Tokio etwa neuneinhalb Stunden, jetzt etwas über 13 Stunden. Tokio ist unsere einzige Polroute, alle anderen Asienflüge nehmen für beide Wege die Südroute.

Was heißt das für Finnair, die ihr erfolgreiches Geschäftsmodell der Asien-Verbindungen über Nacht verloren hat?

Ganz klar: Unser geografischer Vorteil ist weg. Wir sind darauf eingestellt, dass der russische Luftraum für eine sehr lange Zeit geschlossen bleiben wird. Unsere neue Strategie trägt dem Rechnung. Wir müssen uns jetzt auf Märkten behaupten, die weniger reguliert und daher wettbewerbsintensiver sind. Das wiederum zwingt uns zu einer Überarbeitung unserer Kostenstruktur.

Wir brauchten kurzfristig Einsatzmöglichkeiten für unsere Flugzeuge, da die Optionen in unserem eigenen Streckennetz begrenzt waren. Wir haben dann Wet-Lease-Vereinbarungen mit Eurowings Discover und British Airways geschlossen.

Wie hat Finnair das so schnell geschafft?

Es ist ein massives Unterfangen. Die Gespräche mit beiden Fluggesellschaften begannen erst Ende März und bereits Mitte Mai haben wir dann die ersten Wet-Lease-Flüge durchgeführt. Wir haben in nur sechs bis sieben Wochen den Betrieb aus dem Nichts aufgezogen, was eine Menge über die Agilität und Widerstandskraft von Finnair aussagt.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Lufthansa?

Aktuell haben wir drei Airbus A350 an Eurowings Discover verleast, wobei Flugzeuge und Besatzungen rotieren. Wir sind glücklich und Lufthansa, als Mutter von Eurowings Discover, scheint es auch zu sein. Der Vertrag, den wir ursprünglich nur für die Sommersaison abgeschlossen hatten, ist kürzlich bis Ende März 2023 verlängert worden.

Wir wollen auch mit Lufthansa über eine weitere Verlängerung reden, können aber unsere eigene Nachfrageentwicklung noch nicht abschätzen. Hier müssen wir bis zum Jahresende eine Entscheidung treffen. Das Wet-Leasing ist eine wichtige Win-win-Situation für beide Airlines und deren Kunden.

Lassen wir den Ukraine-Krieg kurz außen vor. Wie ist Finnair aus der Pandemie gekommen und was sahen die ursprünglichen Pläne für dieses Jahr vor?

Wir haben während der Pandemie mit fast drei Milliarden Euro viel Fremd- und Eigenkapital eingesammelt, bei einer gleichzeitigen Kostenreduktion von rund 200 Millionen Euro. Wir waren also gut gerüstet, um erfolgreich aus der Pandemie zu kommen. Unsere Flugzeuge und Besatzungen standen bereit, um unsere Strategie, Europa mit Asien zu verbinden, wieder aufleben zu lassen.

Auch die Prognosen waren positiv. Im Januar waren wir bei etwas unter 50 Prozent unseres üblichen Betriebs, weil wir wegen der Omikron-Variante die Flugpläne etwas ausdünnen mussten. Unsere Planungen für den Sommer sahen vor, rund 40 wöchentliche Umläufe nach Tokio aufzulegen, was fast einer Rückkehr zum Niveau vor Corona entsprochen hätte. Wir waren auf ein schnelles Hochfahren des Betriebs eingestellt.

Wie sieht die nähere Zukunft bei anderen asiatischen Zielen aus?

Wir werden unsere feste Verankerung in Asien behalten, unabhängig von der Schließung des russischen Luftraums. Ziel unserer neuen Strategie ist, die Profitabilität durch ein geografisch stärker ausgewogenes Netzwerk wieder herzustellen. Ich warne davor, uns auf dem asiatischen Markt abzuschreiben. Asien bleibt für Finnair weiterhin sehr wichtig. Unsere Wettbewerbsvorteile sind unser effizientes Drehkreuz in Helsinki und unser brandneues Langstreckenprodukt. Vor allem ist Finnair eine Fluggesellschaft, die tatsächlich funktioniert.

Wir haben Slots an den großen asiatischen Flughäfen, was sehr wichtig ist. In Tokio wechseln wir jetzt von Narita zum Stadtflughafen Haneda. Damit sparen unsere Passagiere etwa anderthalb Stunden am Boden, gewinnen also ein wenig der in der Luft verlorenen Zeit zurück. Nach Tokio und Seoul haben wir im Sommer sogar trotz höherer Kosten unsere Erträge steigern können.

Und wie sieht es mit der Konnektivität anderer asiatischer Städte aus, die bisher wichtig waren?

Wenn China wieder öffnet, sehen wir gute Chancen, Peking und Shanghai wieder profitabel zu bedienen, auch ohne den russischen Luftraum zu nutzen. Wir werden auch weiter Hongkong, Guangzhou, Singapur, Bangkok, Phuket ansteuern sowie in Indien Delhi und Mumbai bedienen; Letzteres vor allem wegen der Konnektivität zwischen Indien und den USA. Indien wird einer unserer Wachstumsmärkte, der Mittlere Osten ist ein weiteres Beispiel.

Allerdings können wir Sekundärziele in Asien nicht mehr profitabel betreiben. 2019 machten alle Asienziele fast die Hälfte unseres Umsatzes aus. Wir werden zwar weniger Ziele in Asien bedienen, aber dennoch muss der Umsatz nicht automatisch einbrechen. Die Erträge werden steigen und wenn China sich wieder öffnet, kann Asien auch weiterhin bis zu 30 Prozent unseres Umsatzanteils ausmachen. Nach der russischen Invasion waren es anfangs nur 20 bis 25 Prozent.

Wie wird sich das auf die Finnair-Flotte von bisher 80 Flugzeugen auswirken?

Wir werden unsere Flotte optimieren und verkleinern – wie stark, müssen wir abwarten. Das ist von der Nachfrage abhängig, auch hier ist vor allem die Öffnung Chinas ein Faktor. Die A350 bleibt zwar das Rückgrat unserer Langstreckenflotte, aber ob wir die zwei zusätzlich bestellten Maschinen abnehmen, müssen wir überlegen. Flottenentscheidungen stehen bis Jahresende an.

Wir behalten aber auch die A330, zumindest vier von insgesamt acht, auf denen jetzt das neue Bordprodukt eingebaut ist. Diese brauchen wir für unsere neue Partnerschaft mit Qatar Airways.

Finnair-Flotte
TypAnzahl
ATR72-50010
ERJ 190-100LR12
A319-1006
A320-20011
A321-20016
A330-3008
A350-90017

Die Grafik zeigt die Finnair-Flotte.Quelle: CH-Aviation

Was ist der Gedanke hinter der engen neuen Kooperation mit Qatar Airways?

Durch die russische Invasion verändern sich geografische Vor- und Nachteile. Die Bedeutung von Doha als Drehkreuz zwischen Ost und West nimmt zu. Qatar Airways als ebenfalls langjähriges Oneworld-Mitglied ist in dieser Hinsicht unser natürlicher Partner. Daher wird Finnair ab November von Helsinki, Stockholm und Kopenhagen sowie einem vierten Abflugort, der noch bekanntgegeben wird, Flüge nach Doha auflegen.

Wir sind optimistisch, dass diese Flüge für uns profitabel sein werden. Im Winter planen wir mit 28 Verbindungen pro Woche, etwa so viele wie wir vor der Pandemie jede Woche nach China hatten. Wir gehen ein tiefgreifendes Codesharing-Abkommen mit Qatar Airways ein. Der Verkauf als auch das Marketing läuft über Katar. Wir teilen für die Finnair-Flüge das wirtschaftliche Risiko. Qatar Airways wird ihr Netzwerk vor dem Hintergrund der Partnerschaft zwar optimieren, aber auch weiter nach Nordeuropa fliegen.

Herr Manner, vielen Dank für das Gespräch.

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