Airbus-Verkaufschef Christian Scherer soll Insidern zufolge bei dem europäischen Flugzugbauer künftig das Kerngeschäft mit Verkehrsmaschinen führen. Scherers Berufung könnte binnen weniger Tage angekündigt werden, sagten mehrere Brancheninsider der Nachrichtenagentur Reuters.
Die dominierende Flugzeugsparte, die für 70 Prozent des Umsatzes von Airbus steht, wird bisher von Vorstandschef Guillaume Faury selbst geführt. Die geplante Aufgabenteilung, über die Reuters im Juli berichtet hatte, soll Faury mehr Freiraum für die Entwicklung der Strategie geben.
Scherer galt schon damals – neben Bruno Even, dem Chef der Hubschrauber-Sparte – als einer der Favoriten für den Posten. Airbus wollte sich dazu nicht äußern. Scherer bekleidet seinen bisherigen Posten seit 2018, als er Eric Schulz ablöste, der sich als Nachfolger des langjährigen Airbus-Verkaufschefs John Leahy schwer getan hatte.
Die Umstrukturierung lasse einen gewissen Spielraum für eine weitere schrittweise Erneuerung der operativen Führung im Hinblick auf mögliche Pensionierungen, sagten die Quellen, die nicht namentlich genannt werden wollten. Der Vorstand hat erklärt, er konzentriere sich auf die Nachfolgeplanung.
Umstrukturierungen bei Airbus sind heikler als bei den meisten anderen Unternehmen, weil es in der Vergangenheit Reibereien zwischen den Gründern Frankreich und Deutschland gab. Die Ernennung Scherers würde ein hohes Maß an Kontinuität beim weltgrößten Hersteller von Zivilflugzeugen bedeuten.
Sie markiert aber auch die Rückkehr zu einem heiklen System der getrennten Führung des Konzerns und des Flugzeuggeschäfts. Dieses wurde 2019 nach einem politisch aufgeladenen Machtkampf zwischen Fabrice Bregier und CEO Tom Enders, die schließlich beide zurücktraten, aufgegeben.
Scherer ist Airbus-Urgestein
Unter Faury haben sich die Bedenken hinsichtlich der Corporate Governance schließlich gelegt. In seine Amtszeit fielen die Anstrengungen zur Bewältigung des weltweiten Einbruchs während der Pandemie, gefolgt von einer Erholung der Nachfrage, sowie die Bemühungen um den industriellen Wandel und die Dekarbonisierung.
Bruno Even, der seinen französischen Kollegen Faury an der Spitze von Airbus Helicopters ablöste und als weiterer Kandidat für die neue Position galt, bleibt beim weltweit größten Hersteller von Zivilhubschraubern.
Der 61-jährige Scherer ist selbst ein Airbus-Urgestein: Er hat seine Laufbahn 1984 dort begonnen. Er stammt aus Duisburg, wuchs aber in Toulouse auf und hat in Kanada und Frankreich studiert. Vor seiner Berufung zum Verkaufschef hatte ihn Airbus an den französischen Regionalflugzeug-Hersteller ATR abgestellt, der zu 50 Prozent dem Konzern gehört. Davor war er für die Strategie in der zivilen Luftfahrt verantwortlich.
Insider sagen jedoch, dass die unmittelbaren Herausforderungen, denen sich Scherer gegenübersieht, weniger vertraute industrielle Herausforderungen sind. Derzeit würden dem Flugzeugbauer vor allem die Einhaltung der jüngsten Produktionszusagen und des Ziels von 720 Auslieferungen im aktuellen Jahr sowie die Führung von rund 80.000 Airbus-Mitarbeitern im Flugzeugbau, zu schaffen machen.
Airbus hat seit der Pandemie mehrere Leistungsziele verfehlt oder abgeschwächt, doch im Sommer gab es Anzeichen für eine Trendwende: Die Auslieferungen stiegen, und einige wichtige Indikatoren der Lieferkette, wie etwa fehlende Teile, hätten sich laut Unternehmen verbessert.