Die Europäische Kommission hat sich auf eine Verlängerung der seit März geltenden Ausnahmeregelung für die Slot-Zuteilung an den EU-Flughäfen für den Sommerflugplan 2021 geeinigt, jedoch sollen die Bedingungen wieder verschärft werden. Die Airlines müssen demnach 40 Prozent ihrer Slots während dieser Periode nutzen, um diese weiterhin behalten zu können.
EU-Verkehrskommissarin Adina Valean kommentierte, der Vorschlag würde dazu beitragen, die Fluggesellschaften zu entlasten, einen effizienten Betrieb der Flughäfen zu gewährleisten und den Wettbewerb am Markt zu erhalten. "Die vorgeschlagenen Regeln bieten Sicherheit für die Sommersaison 2021 und stellen sicher, dass die Kommission weitere notwendige Slot-Freistellungen nach klaren Bedingungen modulieren kann, um sicherzustellen, dass dieses Gleichgewicht erhalten bleibt", zitiert Reuters die Kommissarin.
Verkehrsprognosen würden darauf hindeuten, dass das Reiseniveau im Sommer 2021 mindestens 50 Prozent des Niveaus von 2019 betragen werdes, so Valean. Die 40-Prozent-Schwelle würde ein gewisses Maß an Flugangebot garantieren und gleichzeitig den Fluggesellschaften eine Absicherung bei der Nutzung ihrer Slots bieten.
BDL sieht Gefahr von Leerflügen
Der EU-Vorschlag sucht offensichtlich den Kompromiss zwischen Branchen- und öffentlichen Konnektivitätsinteressen. Der Vorschlagsentwurf muss noch vom Europäischen Parlament und den 27 EU-Mitgliedstaaten genehmigt werden. Es dürfte wohl noch zu einigen Diskussionen kommen, denn die Vertreter der Netzwerk-Airlines reagierten zunächst einigermaßen entsetzt auf Valeans Vorschlag.
Man appelliere an das Europäische Parlament und die Regierungen der Mitgliedstaaten die bisher geltende Slot-Ausnahmeregelung während der Corona-Krise zu leichter abgeänderten Konditionen zu verlängern, teilte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) mit. Dieser sogenannte "Slot Waiver" setzte die normalerweise herrschende Pflicht zur Slotnutzung ("Use-it-or-lose-it") seit dem Frühjahr dieses Jahres aus.
"Slot Waiver"
Normalerweise unterliegen die festen Slots der Airlines an den Flughäfen in Europa der sogenannten 80/20-Regel. Die Fluggesellschaften müssen 80 Prozent der zugeteilten Zeitfenster für Starts und Landungen nutzen, um auch in der darauf folgenden Flugplanperiode ein festes Anrecht auf den jeweiligen Slot zu haben. Für den Sommerflugplan 2020 und den Winterflugplan 2020/2021 wurde in Folge des weitgehenden Zusammenbruchs des Flugverkehrs in der Corona-Krise im Frühjahr der sogenannte "Slot Waiver“ beschlossen. Die Ausnahmeregelung sollte der strauchelnden Branche Planungssicherheit geben und vor allem mögliche "Geisterflüge" zum Erhalt der Slots verhindern.
Ein Ende des Nachfrageeinbruchs sei weiterhin nicht in Sicht, so der BDL. Deshalb hätten sich Flughäfen, Fluggesellschaften und die Slot-Koordinatoren weltweit auf eine weitere Umgestaltung der Regeln geeinigt. "Der heute von der EU-Kommission vorgestellte Entwurf bleibt hinter unserem Vorschlag zurück. Die vorgesehene Senkung der Schwelle auf 40 Prozent wird nicht ausreichen, um wirtschaftliche Verwerfungen und unsinnige Leerflüge zu vermeiden." In Ergänzung der Absenkung der Schwelle werde zwingend die Option für Fluggesellschaften gebraucht, bis Anfang Februar einzelne Slot-Serien für den Sommer auszusetzen, ohne einen langfristigen Verlust von Slots befürchten zu müssen. Das sei ein ausgewogener Kompromiss, der die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.
Auch die internationalen Airline-Verbände Iata und Airlines for Europe (A4E) sowie der Flughafenverband ACI verweisen auf die aus ihrer Sicht großen Gefahren für die Erholung des Luftverkehrs durch den Kommissionsvorschlag. "Die europäischen Fluggesellschaften und Flughäfen sind sehr besorgt über die Vorlage", teilten sie mit. Auch sie wollen das Paket umgesetzt sehen, dass die Wirtschaft mit dem "World Airport Slot Board" (WASB) vereinbart habe.
Dieses sei auch im Interesse jener Airlines, die für den Sommer neue Slots an Flughäfen beantragen wollen. Es würde dafür sorgen, dass Fluggesellschaften vor Ort die Garantie bekämen, ihre Slots unabhängig von der Nutzung zu behalten, wenn sie Slot-Serien, die sie im Sommer nicht brauchen, bereits im Februar zurückgeben. "Dies würde die frühzeitige Neuzuweisung dieser Flughafen-Slot-Serien und ihre Ad-hoc-Nutzung während der Saison erleichtern und es den Fluggesellschaften ermöglichen, ihre Flugpläne unter schwierigen Bedingungen zu optimieren", so die Airline-Vertretungen.
Billigflieger beklagen Verbraucherfeindlichkeit
Eine simple Fortsetzung des bisherigen Slot-Waiver wollen auch sie nicht. Denn die Airlines sind gespalten. Die Slots der Netzwerk-Airlines, vor allem an ihren großen, meist überfüllten Hubs, sind durchschnittlich deutlich mehr wert als jene der Punkt-zu-Punkt-Airlines. Die beiden größten von ihnen, Ryanair und Easyjet, ärgern sich schon seit Monaten über die Aussetzung der bisherigen Regeln, die sie als Wettbewerbsverzerrung empfinden. Eine Verlängerung zu den bisherigen Konditionen kommt für sie grundsätzlich nicht infrage.
"Wir sind gegen die Verlängerung des Slot Waivers bis in den Sommer 2021, weil dies zu weniger Flügen und höheren Preisen für die Verbraucher führen wird", sagte eine Ryanair-Sprecherin Ende November. Durch den kompletten Wegfall der Nutzungspflicht würden Hub-Airlines keine Anreize haben, Konnektivität zu erhalten. "Slot-Waiver verzerren den Wettbewerb, indem sie Low-Fare-Airlines daran hindern, zu expandieren, während Drehkreuz-Carrier in der Lage sind, Kapazitäten zu reduzieren und Preise zu erhöhen."
Auf Druck der Billigflieger schlugen Iata und ACI im November informell eine Absenkung der Nutzungspflicht von 80 auf 50 Prozent bei vorübergehender Abgabe von Slots im kommenden Sommer vor, ohne die Rechte an diesen zu verlieren. Die Nutzungspflicht wäre also höher als im EU-Vorschlag, aber der langfristige Erhalt der Zeitfenster garantiert.
Wizz Air-Ceo Jozsef Varadi jedoch findet auch "jeden Versuch den aktuellen Slot-Verzicht ganz, teilweise oder zu niedrigeren Schwellenwerten zu verlängern, völlig inakzeptabel." Wizz Air beteilige sich nicht an einem Anliegen, das "schädlich für die Verbraucher, die Gesellschaft, die Steuerzahler und die Belegschaft ist."