Große Unterschiede bei der Corona-Kurzarbeit in Cockpit und Kabine, © Lufthansa/Gregor Schlaeger
Mitarbeiter von Lufthansa © Lufthansa / Gregor Schlaeger
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Hinweis: Dieser Artikel wurde ursprünglich am 22. April 2020 veröffentlicht.

Die Folgen der Sars-CoV2-Pandemie führen derzeit weltweit zu erheblichen Produktionsausfällen und erforderlichen Einsparungen bei den Airlines – auch beim Bordpersonal der Fluggesellschaften.

Die Sozialgesetzgebung in Deutschland und den meisten europäischen Ländern verhindert dabei aktuell mit dem Instrument der Kurzarbeit Massenentlassungen und ein damit einhergehendes plötzliches "Überschwemmen" des Arbeitsmarktes wie etwa in den USA.

In Deutschland sind nun aktuell etwa 45.000 Piloten und Flugbegleiter in Kurzarbeit - und damit die deutliche Mehrheit der Beschäftigten. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es die Notwendigkeit von Kurzarbeit beim Bordpersonal von deutschen Fluggesellschaften bisher nur sehr selten Thema war, im Cockpit zumindest bei größeren Betrieben noch nie.

Kurzarbeiter bleiben Angestellte ihrer Unternehmen, selbst wenn sie überhaupt nicht arbeiten. Bezahlt werden sie aber grundsätzlich aus der Arbeitslosenversicherung für die Zeit, in der sie beschäftigungslos sind (bis zu 100 Prozent der Arbeitszeit bei im Regelfall bis zu 67 Prozent der Vergütung) – eine win-win-win Situation für Unternehmen, Angestellte und auch die Agentur für Arbeit. Allerdings gibt es beim Fliegenden Personal Besonderheiten.

Variable Vergütungen nicht von Kurzarbeitergeld abgedeckt

So ist ein Merkmal der üblichen Bezahlung ein variabler – meist zeitabhängiger – Vergütungsbestandteil. Typisch sind zehn bis 30 Prozent, gelegentlich auch bis zur Hälfte. Vertraglich garantierte, Unternehmensergebnis-abhängige Vergütungen (Jahres-Boni) erhöhen diese variablen Anteile oft noch zusätzlich.

Für die Airlines greift also schon die Einsparung über die zeitabhängige Bezahlung und wegfallenden Jahres-Boni, und zwar auch ohne Kurzarbeitergeld. Bei zurückgehender Nachfrage sinken die Gehaltskosten vor allem in jenen Gesellschaften deutlich, in denen variable Gehaltsanteile bereits ab der ersten geleisteten monatlichen Stunde/Sektor gezahlt werden (beispielsweise Lauda, Ryanair, Easyjet).

Das hilft oft, Entlassungen zu verhindern – gut für das Bordpersonal – und bewahrt das Reservoir ausgebildeter Piloten und Flugbegleiter für den nächsten Aufschwung – gut für die Arbeitgeber. Beides ist auch deshalb von so großer Bedeutung, da von der Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld nur bis zur Sozialversicherungs-Beitragsbemessungsgrenze (BBG, monatlich 6900 Euro; NBL 6450 Euro) gezahlt wird; die Gehälter der meisten Piloten aber darüber liegen, also nur teilweise erfasst beziehungsweise kompensiert werden.

Kollektivvereinbarungen für (fast) alle in kurzer Zeit abgeschlossen

In der gegenwärtig prekären Lage reichen die bei sehr geringer Arbeitsleistung (tarif-) vertraglich wegfallenden variablen Vergütungsanteile daher überhaupt nicht aus, um genügend Liquidität für die Airlines zu erhalten.

Vor allem weiß noch immer niemand, wie lange die Luftfahrt so stark von den Coronavirus-Groundings betroffen sein wird. Anders als in anderen Branchen existierten für das Bordpersonal weder Tarifverträge noch Betriebsvereinbarungen zur Regelung von Kurzarbeit, weshalb in ungewöhnlich kurzer Zeit bei fast allen Airlines (Tarif-) Verträge abgeschlossen wurden, die die Beantragung von Kurzarbeit erst ermöglichen. Zu den gesetzlichen Kurzarbeits-Regeln des SGB III und den Besonderheiten, das Kurzarbeitergeld für das Bordpersonal zu bestimmen, sei auf diese Verlinkungen verwiesen.

Kurzarbeitsgeld bringt etwa 35 bis 90 Prozent des bisherigen Netto-Gehalts

An dieser Stelle soll nur das oben genannte Problem der Sozialversicherungs-Beitragsbemessungsgrenze (BBG) näher betrachtet werden, was für die überwiegende Zahl der Piloten und auch einige Beschäftigte beim Kabinenpersonal zu erheblichen Gehaltseinbußen führt, wenn der Arbeitgeber das gesetzliche Kurzarbeitergeld nicht aufstockt, wozu sich die meisten Airlines –in unterschiedlicher Höhe - (tarif-) vertraglich verpflichtet haben.

Hier eine Übersicht der wichtigsten Vertragsinhalte, neben den bei einigen Airlines für die Zeit der Kurzarbeit vereinbarten Beschäftigungsgarantien für Cockpit und Kabine:

Vertragliche Regelungen zur Kurzarbeit (Kug.) in ausgewählten Luftfahrtgesellschaften
Betrieb Höhe Kug. gesamt geregelt bis Bemerkungen
Gesetz (SGB III) 60%/67% max. 12 Monate bis max. €6900 = Beitragsbemessungsgrenze
Condor 60% / 67% 30. Jun auch oberhalb der Bemessungsgrenze von €6900
Easyjet 80%/87% 31. Mai ? gesetzl. 60%/67% plus 20% Arbeitgeber auch über BBG
LGW 60%/67% 31. Aug gesetzl. 60%/67%, kein Arbeitgeberzuschuss, , seit 22. April insolvent
Lauda (A) 90% bis 80% ? 90% bis €1700 ; 85% bis €2685 ; 80% bis €5730 ; 0% > €5730
Lauda (D) 60 - 67% + €500 31.05. inhaltsgleich mit Verdi und VC abgeschlossen
Ryanair (D) Piloten 60 bis 67% + €500 31. Mai Verlängerung möglich
Tuifly 80% 30. Sept. Neuverhandlung bei (gesetzlichen) Änderungen
Lufthansa Konzern-Airlines
Lufthansa* 85 bis 90% 31. Dez Cockpit 85%+, Cabin 90%, Kurzarbeit monatl. kündbar
Lufthansa CityLine* 85 bis 90% 31. Dez Cockpit 85%+, Cabin 90%[?], Kurzarbeit monatl. kündbar
Eurowings GmbH* 85 bis 90% 31. Dez. Cockpit 85%+, Cabin 90%, Kurzarbeit monatl. kündbar
Germanwings keine Kug Regelung, wird abgewickelt
Sun Express* 75% bis 82% 31. Aug gesetzl. plus 15% Arbeitgeber
Brussels DUS* 75% ? kein Kollektivvertrag, individualrechtl. Vereinbarungen
Austrian** 90% bis 80% 19. Mai 90% bis €1700 ; 85% bis €2685 ; 80% bis €5730 ; 0% > €5.730
Swiss 100% (80%) ? derzeit 100%, ab spätestens Juni 80% (80%=gesetzliche Regelung)
© Eckhard Bergmann, Stand: 04/2020
*) auch über Beitragsbemessungsgrenze
**) gesetzliche Regelungen; Austrian bezuschusst auf bis zu 90% auch oberhalb von €5730
Quellen: Unternehmens- bzw. Gewerkschafts-Pressemittelungen und weitere eigene Recherchen

Die Angaben in der Tabelle sind zum Teil vereinfacht, zum Teil nicht genauer bekannt. Die Lohnkosten-Entlastung der Arbeitgeber durch das Kurzarbeitergeld der Agentur für Arbeit bei 100 Prozent Kurzarbeit bewegt sich in einem Bereich von 100 bis zu durchschnittlich etwa 50 Prozent - je nach Arbeitgeber-Zuschuss bis und über der BBG.

Maximal 15 Prozent des Fliegenden Personals der Passagier-Fluggesellschaften arbeitet nach Abschluss der Rückholflüge und Transport der Erntehelfer derzeit überhaupt, mit Ausnahme der Cargo-Flieger wie Aerologic, EAT und Lufthansa Cargo, die derzeit mehr als gut beschäftigt sind.

Für Flugbegleiter ergeben sich durch die Kurzarbeitsverträge in Deutschland Gesamt-Nettoeinkünfte von 60 Prozent (ohne Arbeitgeberzuschuss) bis 90 Prozent (mit Zuschuss), für Piloten zwischen etwa 35 Prozent (ohne) und 89 Prozent (mit Zuschuss) des bisherigen Soll-Nettogehalts.

Immer noch hoher Arbeitgeberaufwand bei Piloten

Die folgende Grafik stellt Kurzarbeits-Einkünfte und Arbeitgeberzuschüsse in Prozent des bisherigen Sollentgelts für Monatsgehälter zwischen 1.000 und 20.000 Euro dar. Im Beispiel bezuschusst der Arbeitgeber das gesetzliche Kurzarbeitergeld bis auf 85 Prozent des bisherigen Gehalts. Oberhalb der BBG sind dies bis zu etwa 63 Prozent des regulären Sollentgelts (bei 20.000 Euro Brutto-Monatsgehalt – soll es bei Kapitänen ja geben).

Gewerkschaften fordern Aufstockung des gesetzlichen Kurzarbeitsgelds um 20 Prozentpunkte

Besonders vor dem Hintergrund möglicher staatlicher Beihilfen werden Fluggesellschaften üppige Arbeitgeber-Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld, wie bei hohen Pilotengehältern, kaum den „Normal“-Steuerzahlern der Länder „verkaufen“ können. Swiss hat möglicherweise auch deshalb angekündigt, sich die Zuschüsse auf 100 Prozent der bisherigen Gehälter nicht mehr lange leisten zu können (gesetzlich gibt es in der Schweiz 80 Prozent Kurzarbeitergeld). Auch Easyjet Switzerland und Austrian Airlines werden möglicherweise zusätzlich staatlich unterstützt. Condor hat (siehe Tabelle oben) das Kurzarbeitergeld auf den gesetzlichen Satz von 60/67% beschränkt, bezuschusst allerdings auch Gehälter über der Beitragsbemessungsgrenze.

Derzeit wird vom DGB gefordert und in der Regierung anscheinend auch ernsthaft diskutiert, das gesetzliche Kurzarbeitergeld während der aktuellen Krise von 60/67 Prozent auf 80/87 Prozent (ohne/mit Unterhaltsverpflichtungen) zu erhöhen, was die meisten Arbeitgeber zusätzlich entlastet und die Kaufkraftverluste der Arbeitnehmer besonders in nicht tarifierten und/oder Betrieben ohne Betriebsrat weiter beschränkt. Bereits seit März werden in der Sondersituation der Corona-Pandemie sämtliche Sozialleistungen von der Arbeitsagentur übernommen.

Belastbare Prognosen für den Bordpersonal-Arbeitsmarkt noch nicht möglich

Die Kurzarbeitsregelungen halten wie beschrieben die Angestellten in ihren Arbeitsverträgen. Am Horizont zeichnet sich allerdings ab, dass es einerseits mehr als ein Jahr dauern wird, um zu Vollbeschäftigung zurückzukehren und andererseits mehrere Airlines wie auch Lufthansa und Easyjet intensiv darüber nachdenken, die Krise als Gelegenheit zur Restrukturierung zu nutzen. Eine interessante Roland Berger-Studie zur möglichen Marktentwicklung schreibt dazu: "[... die Industrie wird] die Krise möglicherweise ausnutzen, um Maßnahmen zu ergreifen, die in einfacheren Zeiten unangenehm wären".

© dpa, Kin CheungLesen Sie auch: Die L-Kurve droht: Drei Szenarien zur Zukunft der Luftfahrtindustrie

Die kürzlich erfolgte Insolvenz von Thomas Cook Aviation, die Schließung von Germanwings und weitere angekündigte Maßnahmen des Lufthansa-Konzerns zusammen betreffen kurz und mittelfristig hochgerechnet etwa 1500 Piloten- und etwa 3000 bis 4000 Flugbegleiter-Arbeitsplätze durch Kapazitätsabbau in nahezu allen Bereichen. Interessant wird sein, wie das von Lufthansa beschriebene Ziel "(...) möglichst vielen eine Weiterbeschäftigung innerhalb der Lufthansa Group zu bieten" umgesetzt wird.

Mindestens ebenso interessant ist, ob und wie Condor sich zukünftig am Markt positionieren kann. SunExpress entlässt bereits Flugbegleiter. Welche Ferienflieger die Krise überstehen können ist vor allem abhängig vom Sommer-Geschäft, für das es – euphemistisch ausgedrückt – nicht gut aussieht. Von der LGW-Insolvenz sind etwa 300 Piloten und Flugbegleiter betroffen.

Dass Norwegian in Dänemark und Schweden massiv Bordpersonal entlässt liegt eher nicht an den dortigen Regelungen für Kurzarbeitsgeld; die sind ähnlich wie in Norwegen; es liegt wohl eher an der Leiharbeitskonstruktion bei Norwegian oder daran, dass man ohnehin Kapazität reduzieren wollte.

Die deutschen Gewerkschaften verlangen jetzt Job-Garantien für den Fall staatlicher Hilfen; verständlich, aber ohne staatliche Hilfen werden in jedem Fall viele Jobs verloren gehen.

Bleibt zu hoffen, dass die gesetzlichen Kurzarbeitsregelungen für bis zu zwölf Monate ausreichen, um möglichst viele Piloten, Flugbegleiter und alle anderen Beschäftigten der Fluggesellschaften auch während der Corona-Krise in Arbeit zu halten.

Über den Autor

© Eckhard Bergmann

Dipl-Ing. und Flugingenieur Eckhard Bergmann ist seit 36 Jahren in der Luftfahrt tätig. Über 17 Jahre und 10.000 Stunden flog er im Cockpit und arbeitet seit 2002 als selbstständiger Luftfahrt-Berater und Geschäftsführer der Europairs GmbH. Er lebt in Ratingen und Bern. Bergmann ist außerdem Autor des Buches "Fliegen - Ein (Alb-)Traum?", das hier erhältlich ist.
Kontakt: www.europairs.org

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