Andreas Spaeth (Jahrgang 1966) hat vor 50 Jahren zum ersten Mal ein Verkehrsflugzeug bestiegen. Seitdem ist er in mehr als 75 unterschiedlichen Passagiermaschinen abgehoben. Daten, Fun-Facts und persönliche Anekdoten: In seiner airliners.de-Kolumne "Spaeths Flugzeugquartett" stellt der Luftfahrtjournalist die markantesten historischen und aktuellen Verkehrsflugzeuge vor und schildert seine Erlebnisse mit ihnen. Ein Flugzeugquartett der etwas anderen Art.
Concorde
Eine Concorde fliegt über den Wolken © British Airways
Typ: Überschall-Verkehrsflugzeug
Hersteller/Herkunft: Aérospatiale/Frankreich, British Aircraft Corporation/Großbritannien
Erstflug: 2. März 1969
Indienststellung: 21. Januar 1976
Produktionszeit: 1962 bis 1979
Anzahl gebaut: 20
Länge: 62,13 m
Spannweite: 25,56 m
Reichweite: 6230 km
Reisegeschwindigkeit: 2190 km/h (Mach 2,02)
Sitze (max./typisch): 131/100
Warum ich die Concorde in mein Quartett aufnehme:
Die Concorde ist technologisch eine der größten Errungenschaften der Luftfahrtgeschichte und stellte einen Quantensprung dar. Das sieht man schon daran, dass Innovationen, die bei der Concorde Premiere hatten wie beispielsweise Fly-by-wire oder die Nutzung von Tanks zur Trimmung, heute in fast allen modernen Verkehrsflugzeugen stecken. Und natürlich ist so gut wie jeder, der jemals mit ihr fliegen durfte, restlos in die Concorde verliebt. So auch ich.
Mein erster Flug mit der Concorde:
Ziemlich genau vor 30 Jahren, am 27. Januar 1993, bekam ich als junger Luftfahrtjournalist von Air France eine unglaubliche Einladung: mit der Concorde von Paris nach New York zu fliegen. Ich war damals Student und musste eigentlich bald meine Diplomarbeit abgeben, aber hier mitzufliegen war ein Muss. Ich tischte meinem Professor also irgendeine erfundene Ausrede auf und bekam etwas länger Zeit, puh... Also mit Mach zwei nach New York.
Aber erst einmal gab es Stress: Unsere Concorde hatte ein Hydraulikproblem, eine andere musste bereitgestellt werden – Vorführeffekt. Mit zwei Stunden Verspätung ging es endlich los. Flugkapitän François Rude sprach sogar etwas Deutsch. Und es war großartig.
Wie klein das Flugzeug war, vor allem die Mini-Fensterchen, dann diese unfassbare raketenartige Beschleunigung mit Nachbrennern beim Start. Auf Reiseflughöhe von bis zu 18.000 Metern der Blick von so weit oben auf die von hier ganz anders aussehenden Wolken, und wie wir über dem Ärmelkanal einen Jumbo unter uns einfach abhängten wie ein Ferrari einen Golf... Der Sportwagenvergleich passt übrigens – die Concorde war eng und von außen furchtbar laut, manchmal etwas ruppig, wenn die Nachbrenner einen durch die Schallmauer schoben, oder leichte Turbulenzen spürbar wurden, dafür aber exklusiv, teuer und unvergleichlich schnell.
Damals durfte ich Anflug und Landung vom Jump Seat aus im Cockpit miterleben: absolut unvergesslich, als plötzlich das Visier vor den Cockpitscheiben und die Flugzeugnase herunterklappten und das Rauschen des Fahrtwindes richtig laut wurde. Nach drei Stunden und 27 Minuten landeten wir in JFK. Und das Vergnügen war noch nicht vorbei – damals inkludierte Air France noch den Hubschraubertransfer – es ging in acht Minuten vom Flughafen zum Heliport an der 34. Straße in Manhattan. Das waren Zeiten.
Meine besonderen Flüge mit der Concorde:
Mit der Concorde war natürlich jeder Flug besonders, sowohl das Flugerlebnis wie auch die Menschen, die man dabei traf. Denn die Concorde war auch eine "Promi-Rakete", wie die Presse es gern nannte. Der bemerkenswerteste meiner Concorde-Flüge war daher jener von London nach New York am 12. November 2001, erst kurz nach der Wiederaufnahme der Flüge. Schon im "Concorde Room", wie British Airways die spezielle Lounge nannte, hatte ich Schauspieler Hugh Grant und Ex-Beatle Sir Paul McCartney getroffen und mit beiden auch kurz gesprochen. Das war bei Concorde-Flügen beinahe normal, alle waren inkognito, es herrschte beinahe Club-Atmosphäre. Hugh Grant hatte mir sogar ein Autogramm gegeben (das war vor der Selfie-Zeit), was McCartney verweigerte.
Autor Andreas Spaeth 2001 bei Mach 2 in der Concorde. © Andreas Spaeth
Als alle an Bord saßen, wurde noch die Herzogin von York, besser bekannt als Fergie, mit einer Limousine direkt vorgefahren und nahm ihren Sitz 1A ein, stets für Royals reserviert. Diese Hochkaräter allesamt so ein paar Sitzreihen weiter vorn zu sehen, war beeindruckend. Leider hatte das Ende des Fluges eine tragische Note: Als wir JFK anflogen, sahen wir über dem Stadtteil Queens eine große Rauchsäule. Nach unserer Landung wurde der Flughafen geschlossen. Wie wir erfuhren, war kurz zuvor eine A300 von American Airlines abgestürzt. Nun war die Angst vor einem neuen Attentat so kurz nach 9/11 groß, gespenstisch. Sogar die Einreisekontrolle war kurzzeitig gesperrt. Paul McCartney verteilte Kaugummis an die anderen vorn in der Schlange. Es war ein Unfall, wie sich bald herausstellte, an diesem tragischen Tag.
Der andere unvergessliche Flug war mein kürzester mit der Concorde: Am 24. Juni 2003 ging es mit der Fox Bravo der Air France von Paris auf ihren letzten Flug – nach einer Überschallschleife über der Biskaya zum Flughafen Karlsruhe/Baden, wo Tausende von Schaulustigen unsere Landung verfolgten. Das Flugzeug wurde bald zerlegt und steht seit 2004 zur Besichtigung gleich neben ihrer sowjetischen Konkurrentin Tu-144 auf dem Dach des Technikmuseums Sinsheim.
Eine Concorde landet auf dem Flughafen Karlsruhe am 24.6.2003 © dpa, U. Deck
Was mir bei der Concorde aufgefallen ist:
Die Concorde bot ihren Passagieren so besondere Sinneseindrücke wie kein anderes Flugzeug. Im Cockpit zum Beispiel roch es beim Start und unmittelbar nach dem Abheben immer nach verbranntem Teppich. "Das ist normal, wenn der Nachbrenner läuft", erklärte mir auf meine besorgte Nachfrage der British Airways-Concorde-Chefpilot Michael Bannister.
Wie sehr der Überschalljet buchstäblich am Rande des technisch Machbaren flog, zeigte sich auf seiner Reiseflughöhe von meist um die 17.000 Metern, wesentlich höher als jedes andere Flugzeug: Je nach Wetterlage sah ich etwa auf einem Drittel meiner Flüge tatsächlich die Erdkrümmung, der Horizont war leicht gebogen. Das erblicken sonst nur Astronauten. Der Weltraum war bei Tageslicht immer zu sehen: Wenn man sich neben sein Minifenster auf den Kabinenboden kniete und direkt nach oben schaute, war es dort oben pechschwarz – die endlosen Weiten des Alls scheinbar in greifbarer Nähe, surreal.
Was ich noch zur Concorde erzählen wollte:
Der 25. Juli 2000 war für mich ein einschneidender Tag. Natürlich war ich geschockt vom Absturz des "Wundervogels" in Paris, wobei tragischerweise alle 109 Insassen sowie vier Menschen am Boden starben. Gleichzeitig, wie es oft so ist, bedeutete dieses Weltereignis für mich als zuvor nur schreibenden Journalisten, dass ich plötzlich tagelang in Dutzenden von Fernseh- und Radiosendungen auftrat. Das öffentliche Interesse war gigantisch, ich quasi der einzige deutschsprachige "Experte" mit Concorde-Erfahrung. Das Verrückteste war, dass mir die Wochenzeitung "Die Zeit" drei Tage später für über 8000 Mark ein Concorde-Ticket nach New York kaufte, damit ich eine Reportage darüber schreibe, wie sich das jetzt anfühlt, denn British Airways flog ja anfangs noch weiter. Bizarr...
Meine Concorde-Fun-Facts:
Die Concorde war das einzige Passagierflugzeug, das auf jedem Flug länger wurde, bevor beim Landen alles wieder auf Normalmaß schrumpfte. Trotz der extrem kalten Höhenluft war die Reibungshitze bei Mach zwei so groß, dass die Nase nach zwei Stunden Überschallflug plus 127 Grad Celsius erreichte. Die entstandene Wärme führte dazu, dass sich der Rumpf auf jedem Flug um etwa 20 Zentimeter verlängerte. Alle Kabel und Leitungen waren entsprechend flexibel konzipiert. Sichtbar war die Ausdehnung nur im Cockpit: Zwischen Wand und Instrumentenpanel des Flugingenieurs klaffte ein Spalt so breit, dass die Crews gern aus Jux ihre Mützen hineinsteckten – und meistens auch daran dachten, sie rechtzeitig vor Ankunft wieder zu entfernen, damit sie dort nicht wie in einem Schraubstock eingeklemmt wurden.