Das vergangene Jahr lief ja für den Flughafen Memmingen sehr gut. Kann man vom Allgäu Airport auf die Situation der anderen IDRF-Flugplätze schließen?
Ralf Schmid: Die IDRF repräsentiert sehr unterschiedliche Mitgliedsflugplätze. Vom Regionalflughafen über Werksflughäfen gehören auch viele Flugplätze, die ganz überwiegend dem Geschäftsreiseflugverkehr und der allgemeinen Luftfahrt dienen, unserem Verband an. Entsprechend sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen sehr unterschiedlich. Gemein ist allen Flugplätzen, dass sie öffentliche Verkehrsinteressen befriedigen und ein wesentlicher Bestand unser Verkehrsinfrastruktur sind.
Flugplätze sind sehr individuell zu betrachten. Gesellschaftliches, wirtschaftliches und touristisches Umfeld sind sehr unterschiedlich. Allgemein kann allenfalls gesagt werden, dass sich jeder Flugplatz nach Kräften bemüht, sämtliche Kosten niedrig zu halten und die Effizienz zu verbessern. Der Flugplatz will seinen Nutzern als zuverlässiger Partner weitestgehend so zur Verfügung stehen, wie deren Notwendigkeiten es fordern. Gemeint sind hier insbesondere Öffnungszeiten, Infrastrukturen, Anflughilfen, Abfertigung, Zoll, Grenzübergangsstellen und so weiter.
Die Bundesregierung erarbeitet aktuell ein Luftverkehrskonzept für Deutschland. Sind darin die Bedürfnisse der kleinen Flughäfen angemessen berücksichtigt?
Schmid: Die bisherigen Vorarbeiten zum Luftverkehrskonzept beschränken sich auf die Betrachtung des internationalen Wettbewerbsumfeld der Netzwerkcarrier. Damit sind weder die kleinen noch die mittleren Flughäfen betrachtet worden. In der Tat sind sogar nur ganz wenige, ganz große internationale Flughäfen erfasst worden. Ein Luftverkehrskonzept, das bereits bei der Zahlenerhebung zwei Drittel aller Flugbewegungen außer Acht lässt - und soviel macht beispielsweise der nicht betrachtete Individual-Luftverkehr der allgemeinen und Geschäftsluftfahrt aus-, ist kritisch zu hinterfragen.
Aus unserer Sicht sollten vorrangig die Mobilitätsbedürfnisse der Luftverkehrsnachfrager, zu denen insbesondere die Geschäftsreisenden und die Touristen gehören, untersucht werden. Diese Passagierinteressen sollten mit dem Angebot der Luftverkehrsgesellschaften und den Funktionen der Flugplätze abgeglichen werden. So besteht die Möglichkeit, verschiedene Szenarien zu entwickeln, die der Politik die sachverständige Grundlage geben, um eine dem Staat und seiner Gesellschaft optimal gerecht werdende Luftfahrtpolitik zu entwickeln.
2024 wird gerade für regionale Flughäfen ein potentiell einschneidendes Jahr: Dann sollen die neuen EU-Beihilferegelungen greifen und das könnte für viele finanziell nicht zu stemmen sein. Wie steht es um die nationale Umsetzung der EU-Richtlinien?
Schmid: Das Jahr 2024 ist nicht so einschneidend wie es zunächst aussehen mag. Die Beihilfe-Leitlinien sind seit 2014 in Kraft und innerhalb von zehn Jahren, also bis 2024, sollen etwaige Betriebskostendefizite reduziert werden. Es ist heute bereits absehbar, dass das insbesondere von den kleineren Flugplätzen nur zum Teil erfüllt werden kann. Andererseits fehlt es noch an nationalen Umsetzungskonzepten und einheitlichen Berechnungsansätzen, sodass die tatsächlich relevanten Zahlen im Moment noch gar nicht ermittelt werden können. So bestehen insbesondere bei der Einordnung und Handhabung nichtwirtschaftlicher, hoheitlicher Tätigkeiten wie die der Flugsicherung (Platzkontrolle), Betriebspflicht (Schneeräumen, Sicherheit) oder Feuerwehr unterschiedliche Auffassungen zwischen EU-Kommission, Bundesverkehrsministerium und Flugplätzen.
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Auch die Tatsache, dass der Bund für einige wenige Flughäfen die Flugsicherungsaufwendungen übernimmt, für andere aber nicht, ist per se eine Wettbewerbsverzerrung. All diese Details sollten unter den Zielsetzungen "wirtschaftliche Erbringung von Infrastrukturleistungen" und "bedarfsgerechte Daseinsvorsorge" erwogen und in einem Luftverkehrskonzept konkretisiert werden. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die großen "wirtschaftlich arbeitenden" Flugplätze ihre Überschüsse nicht durch die Erbringung von Luftverkehrsleistungen, sondern den Betrieb von großflächigem Einzelhandel, Parkraum- und Immobilienbewirtschaftung erzielen.
Nicht selten wird die Existenz von Regionalflughäfen mit Verweis auf die finanzielle Situation generell in Frage gestellt. Warum leisten sich dennoch so viele Regionen ihre Flugplätze?
Schmid: Flugplätze als Infrastruktureinrichtungen stellen einen wichtigen Beitrag für die Mobilität dar. Es werden neben ICE-Strecken ja auch Regionalzugverbindungen, neben Autobahnen auch Kreisstraßen und Gemeindeverbindungswege benötigt. Mittelständische, meist inhabergeführte Unternehmen sind oftmals im ländlichen Raum beheimatet. Eine dezentrale Struktur benötigt aber auch dezentrale Verkehrswege. Ebenso leisten wir uns eine defizitäre Versorgung im ÖPNV, um den Mobilitätsbedürfnissen gerecht zu werden. Die vermeintlich "wirtschaftliche" Betrachtung eines Teils des Mobilitätssektors führt in die Irre.
Die Passagierzahlen im deutschen Flugverkehr sollen einer aktuellen Prognose des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zufolge bis 2030 um 70 Millionen auf dann 175 Millionen steigen. Die Iata kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Was bedeutet das für die Zukunft der Regionalflughäfen?
Schmid: Die Abläufe auf den großen internationalen Flughäfen sind heute bereits zu komplex, die sinnvollen Abfertigungsraten erschöpft und das Reisen von Tür zu Tür dauert auf diese Weise innerhalb Europas, aber auch innerhalb der Welt und auch Deutschlands viel zu lange. Zur Entzerrung der Verkehrsströme und Verringerung der Störanfälligkeit führt am dezentralen Luftverkehr kein Weg vorbei. Wir gehen davon aus, dass es wieder verstärkt zu Punkt-zu-Punkt-Verbindungen kommen wird. Das lässt sich heute an den Zahlen und den Flugzeuggrößen ablesen und wird sich positiv auf die Nutzung von kleinen und mittleren Flughäfen auswirken.