Nachdem Boeing zu Anfang der Woche mitteilte, dass mit einer Wiederzulassung der 737 Max nicht vor "Mitte 2020" zu rechnen sei, gehen Experten und US-Medien davon aus, dass sich auch die Wiederaufnahme der 737-Produktion in Renton länger auf sich warten lassen wird, als ursprünglich geplant.
So zitiert Forbes Analysten, die erwarten, dass das Boeing-Werk südlich von Seattle bis mindestens September, vielleicht sogar bis Ende des Jahres, geschlossen bleibt. Die Ankündigung von Boeing, dass es keine Zulassung für den Pannenflieger im Frühjahr geben würde, sei für die ganze Branche eine Überraschung gewesen. Als Boeing im Herbst den Produktions-Stop im 737-Werk verkündete, sei der Hersteller noch fest von einer "zeitnahen" Wiederzulassung ausgegangen.
Zwar sagte der neue Boeing-Chef Daivd Calhoun kürzlich in einer Telefonkonferenz, dass er die Produktion der 737 schon vor der der Zulassung langsam wieder anfahren wolle, auf Details wollte er sich jedoch nicht festlegen.
Simulator-Ausbildung für Piloten kostet viel Zeit
Experten und Marktbeobachter erwarteten eine Wiederaufnahme der Produktion jedoch frühestens drei Monate nach der Zulassung, so Forbes. Der große Rückstand zu den kolportierten Zeitplänen sei vor allem durch Boeings Schwenk bei der Simulator-Ausbildung für angehende 737-Max-Piloten begründet, ist sich Kevin Michaels, Geschäftsführer der Unternehmensberatung AeroDynamic Advisory, sicher. Boeing hatte zuvor angekündigt, dass man nun doch allen Airlines und Piloten eine Ausbildung an einem Full-Flight-Simulator empfehlen werde.
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Das bedeutet einen wesentlich aufwendigeren Schulungs-Prozess, der zudem mit den knappen Ressourcen der bisher erst 34 bereitstehenden 737-Full-Flight-Simulatoren konfrontiert ist. Die schnelle Inbetriebnahme der 400 auf Halde produzierten 737 Max nach der Zulassung sei dadurch kaum möglich, so Michaels.
Spirit Aerosystems entlässt 2.800 Arbeiter
Ein weiteres Problem bei einem Produktionsstopp, der sich bis in den Herbst zöge, könnten massive Liquiditätsprobleme bis hin zu Insolvenzen in der Zulieferer-Kette werden. "Die Namen, die in der Kette ganz unten stehen, da liegt das Bestandsrisiko, so der Analyst Chris Olin. Unternehmen wie Arconic, Allegheny Technologies oder Hexcel würden beispielsweise Komponenten aus Titan und anderen Spezialmetallen mit einem Vorlauf von zwölf Monaten produzieren. Zwar würden Boeing und die großen Zulieferer wohl versuchen, die kleineren Firmen zu unterstützen, das sei jedoch nur begrenzt möglich. Entlassungen in der am unteren Ende der Lieferkette seien wohl unvermeidlich.
Aber auch Hersteller großer Komponenten wie der Rumpfhersteller Spirit AeroSystems stehen vor Problemen. So gab das Unternehmen unmittelbar nach der kürzlichen Unterbrechung der Produktion bekannt, bis zu 2.800 Arbeiter zu entlassen. Für die großen Zulieferer sei die kurzfristige Neuaufstellung besonders schwierig, so Kevin Michaels, da Boeing vor der Max-Krise massiven Druck gemacht habe, die Kapazitäten schnell auszubauen, um bis zu 57 Maschinen im Monat bauen zu können. Davon ist nun keine Rede mehr, auch wenn die Produktion wieder läuft, plant Boeing mittelfristig, 42 der Flugzeuge pro Monat zu bauen.