Die deutsche Luftverkehrsbranche hat ihr Bestreben, den Luftverkehr umweltfreundlicher und langfristig klimaneutral zu machen, bekärftigt. Auf einer gemeinsamen Online-Veranstaltung haben die Verbandspräsidenten Peter Gerber (BDL), Stefan Schulte (ADV), Ralf Teckentrup (BDF) und Klaus-Peter Scheuerle von der Deutschen Flugsicherung einen "Masterplan Klimaschutz im Luftverkehr" vorgestellt. die darin beschriebenen Maßnahmen seien geeignet, die Klimawirkung von Flügen in den kommen Jahrzehnten stetig zu verringern. Ziel sei, in Einklang mit den europäischen Klimazielen, die Luftverkehrsbranche bis 2050 vollständig klimaneutral zu machen.
Dazu gehören unter anderem effektivere Flugzeuge mit weniger Verbrauch, alternative Antriebsarten etwa mit Wasserstoff sowie eine bessere Organisation des europäischen Luftraums. Eurch die gegenwärtige Beteiligung am europäischen Emissionshandelssystem EU-ETS gelte "für den europäischen und innerdeutschen Luftverkehr ein klarer CO2-Reduktionspfad", so Gerber. Eine Besteuerung des bislang steuerfreien Kerosins lehnt die Branche aber weiterhin ab. "Das ist ungefähr das Verkehrteste was man machen kann". Den europäischen Anbietern entstünde dadurch ein globaler Wettbewerbsnachteil, solange solche Maßnahmen nur regional begrenzt umgesetzt würden.
Aus Sicht von Umweltschützern sind die Pläne der Branche deshalb unzureichend. "Die Luftfahrtbranche spricht die richtigen Aufgaben im Klimaschutz an, aber lösen sollen sie bitte andere", kritisierte der Verkehrsexperte der Umweltorganisation Greenpeace, Benjamin Stephan. "Statt Gründe zu sammeln, warum Kerosin weiter steuerfrei bleiben soll und die Luftfahrt von einer wirksamen CO2-Bepreisung ausgenommen gehört, muss die Branche selbst die nötige Entwicklung strombasierter Kraftstoffe vorantreiben."
"Einnahmen aus Luftverkehrsteuer eignen sich für PtL-Förderung"
Genau das geschehe gerade, beteuert die Luftverkehrswirtschaft. Im Mittelpunkt stünde dabei der Einsatz von Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe, die unter Stromeinsatz gewonnen werden. "Allerdings gibt es diesen Kraftstoff bis jetzt nur in sehr sehr kleinen Mengen", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Fluggesellschaften, Ralf Teckentrup. Ab 2030 solle sich das aber ändern.
Wasserstoff brauche jedoch voraussichtlich mehr Zeit, weshalb Teckentrup dafür plädiert, den Fokus vor allem auf synthetische PtL-Kraftstoffe zu legen. Noch fehle zwar die industrielle Infrastruktur, die Umsetzung einer derzeit von Politik und Wirtschaft gemeinsam erarbeiteten Roadmap könne jedoch Abhilfe schaffen. Die Airlines seien offen für Abnahmegarantien und würden auch eine Beimischungsquote akzeptieren, diese müsse jedoch global, zumindest europaweit eingeführt werden, ansonsten würde sich der Verkehr schlicht aus Deutschland andere europäische Hubs verlagern und keinem sei geholfen. Zudem müssten durch Klimaschutzbemühungen entstehende Wettbewerbsnachteile gegenüber internationaler Konkurrenz durch den Staat ausgeglichen werden: "Aus unserer Sicht eignen sich dafür die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer hervorragend."
Staat soll beim Flottenaustausch helfen
Eine weitere Möglichkeit den Klimaschutz kontinuierlich zu verbessern, sieht Condor-Chef Teckentrup im weitergehenden Flottenaustausch der Airlines. "Jede neue Flugzeuggeneration verbraucht 15 bis über 20 Prozent weniger Energie als die davor." Seit 1990 seien die Emissionen der deutschen Airlines so um 44 Prozent gefallen, trotz Flottenwachstum. Um den Flottenaustausch fortzuführen, bei Condor beispielsweise dürfte in den nächsten Jahren die Frage nach der Ablösung der mittlerweile betagten 767-Langstreckenflotte aktuell werden, seien jedoch massive Investitionen erforderlich. Geld, dass in der Branche aufgrund der Corona-Krise gerade an allen Ecken und Enden fehlt. "Wir sind deshalb dankbar, dass die Koalition sich zu einem Förderprogramm für die Anschaffung neuer Flugzeuge bei den Airlines bekannt hat."
Stefan Schulte von der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Verkehrsflughäfen (ADV) verwies in seinem Statement auf eine Reihe von Maßnahmen, die Flughäfen zur Emissionsreduzierung ergreifen würden. Dazu gehörten moderne, effizient gesteuerte Gebäude oder auch die Elektrifizierung von Vorfeldfahrzeugen. So habe man die Emissionen am Boden in den letzten zehn Jahren bereits um 30 Prozent reduziert.
Als wichtige Aufgabe für die Flughäfen zu mehr Klimaschutz sieht Schulte eine vertiefte Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn. Die Verkehrsträger müssten besser verbunden werden, dann habe die Bahn das Potenzial viele innerdeutsche Flüge obsolet zu machen. Dort wo in den vergangenen Jahren moderne Hochgeschwindigkeitsstrecken eröffnet wurden, habe die Bahn das Flugzeug weitgehend verdrängt, so zum Beispiel zwischen Frankfurt und Köln oder Berlin und Hamburg.
Ganz könne absehbar jedoch nicht auf innerdeutsche Flüge verzichtet werden. "30 Prozent aller innerdeutschen Passagiere sind Umsteiger." Die Sorge der Branche: Wenn diese nicht von Hamburg nach Frankfurt per Flugzeug zu ihrem Interkontinentalflug reisen können, dann tun sie das stattdessen über Amsterdam oder London. Die Bahn habe daher noch einige Hausaufgaben zu erledigen, um in puncto Komfort mithalten zu können: "Man muss ich Gedanken machen, wie Gepäck am Bahnhof aufgegeben werden könnte, dass dann am Flughafen automatisch durchgecheckt wird bis ins Flugzeug, auch die Anschlussicherheit ist ein großes Thema", spielt Schulte auf die häufigen Verspätungen der Bahn an.
Abschließend äußerte sich BDL-Chef Gerber noch zum umstrittenen Icao-CO2-Offsettprogramm Corsia, dass im Januar richtig starten soll. Umweltschützer hatten dieses, nach weiteren Anpassungen in der Corona-Krise, in jüngerer Zeit immer wieder als ineffektiv, weil viel zu schwach kritisiert. Gerber sieht das Abkommen jedoch weiter als weltweites Vorbild für alle emissionsintensiven Wirtschaftsbranchen. "Wir haben hier als erste Branche ein globales Instrument. Der Luftverkehr kann nur international gedacht werden und Corsia eignet sich zur wettbewerbsneutralen CO2-Reduktion."