Liebe Leser,
"zwischen den Jahren" ist ein wenig Ruhe in unseren hektischen Alltag geschlichen. Die Weihnachtswoche haben wir dazu genutzt, noch einmal auf das Luftfahrtjahr 2018 zurückzublicken - in Form von sechs Interviews.
Dominierend in diesem Jahr war der "Verspätungssommer". Nach dem Marktaustritt der Air Berlin boten alle Airlines erheblich mehr Kapazitäten an, schließlich werden die Machtverhältnisse für die nächsten Jahrzehnte festgelegt. Die teilweise chaotischen Folgen bekamen nicht nur die Passagiere zu spüren, sondern auch die deutschen Flughäfen, konstatiert ADV-Präsident Stefan Schulte.
Entscheidend sei nun, dass "Lehren aus dem Sommer gezogen würden" und alle Player "gezielt gegen die Ursachen vorgehen". Eine konkrete Prognose, wann der deutsche Luftverkehr in Punkto Verlässlichkeit wieder auf dem Niveau von vor der Air-Berlin-Pleite sein könne, wollte Schulte nicht geben. Man müsse "an den Themen dranbleiben und kontinuierlich weiterarbeiten". Klingt so ein Weiter-so?
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Ähnlich verhalten äußert sich auch Flugsicherungschef Klaus-Dieter Scheurle. Während Schulte die Infrastruktur am Boden im Blick hat, drängt der DFS-Lenker auf mehr und effizientere Führung am Himmel: "Wir haben einfach zu viel Verkehr für einen kleinen Raum." Dadurch würden schlicht "viele gesättigte Sektoren" entstehen.
Neues Personal einstellen ist nicht das "Allheilmittel". Man müsse europäisch denken und auf Ebene der Regulierung Stellschrauben drehen. "Der Ansatz, ich mache eine europäische Hürde für alle - also "one size fits all" -, ist totaler Unsinn." Nationale Eigenheit müssten stärker im Fokus stehen. Das predige man auch bei der EU-Kommission, werde aber von dieser nicht gehört. Welche Vorschläge die DFS dort seit Jahren einbringt, lesen Sie hier:
Verzögerungen brachte in diesem Sommer aber nicht nur der verstopfte Luftraum. An den Passagierkontrollen mit ihrer Logistik aus dem letzten Jahrhundert staute es sich. Dass sich verspätete Passagiere schnell auf die Flugpläne auswirken, liegt auf der Hand. Denn die Flieger warten nicht aus Freundlichkeit auf die Reisenden, sondern sie fahren Verspätungsminuten ein, weil das Gepäck jener Reisenden wieder ausgeladen werden muss.
Was sich bundesweit an den Kontrollstrecken und auf dem Ausbildungsweg dorthin ändern muss, skizziert der Chef des Dienstleisters Kötter Aviation, Peter Lange. Nüchtern stellt er der Politik Versäumnisse in Rechnung und analysiert: "Die Kontrolltechnik hat nicht mit dem Passagierwachstum Schritt gehalten." Nur wenige Flughäfen seien mit modernster Technik ausgerüstet. Es gilt Marie Curie: "Ich beschäftige mich nicht mit dem, was getan worden ist. Mich interessiert, was getan werden muss."
Der Blick in die Zukunft kann aber auch rosig sein. Beispielsweise wenn man die Brille der deutschen Hauptstadt aufsetzt und davon ausgeht, dass dort dieser eine große Flughafen im Herbst 2020 tatsächlich eröffnet. Dann wären ein Jahr lang erst einmal alle skeptisch, legte sich Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup jüngst fest. Doch dann käme der Boom, ist sich auch Berlins oberster Touristiker Burkhard Kieker sicher.
Allen voran hieße dies, dass sich die Zahl der Langstrecken massiv erhöht. Denn Interkont-Reisende müssen heute über Frankfurt und München "zwangsgelenkt" werden, so Kieker. "Die Chinesen denken zentralistisch und wollen die Hauptstadt ihres Reichs mit der Hauptstadt der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt verbinden." Manchmal sind Argumente für neue Verkehre ganz einfach - dies wird auch das Bundesverkehrsministerium einsehen müssen, wenn es die Deckelung der wöchentlich 55 Flüge von und nach China aufhebt.
Mut fürs neue Jahr macht aus Arbeitnehmersicht der Blick auf die tarifpolitischen Themen des Luftfahrtjahres 2018. Neben Erfolgen bei einzelnen Airlines ist da vor allem die lange geforderte Reform des Paragrafen 117 Betriebsverfassungsgesetz. Sprich fliegendes Personal darf auch dann einen Betriebsrat gründen, wenn sich die Airline-Spitze gegen eine Personalvertretung wehrt - so wie bei Sun Express, Aero Logic und Germania geschehen.
Als Erfolg werten die beiden Chefs der Flugbegleitergewerkschaft Ufo, Nicoley Baublies und Thomas Klappert, auch die Verhandlungen mit Ryanair. Aus Ufo-Sicht ruhen diese zwar, doch VC (Piloten) und Verdi sind 2018 Abschlüsse gelungen beziehungsweise zumindest Ankündigungen dafür. Das Tarifwerk von Verdi müsse man sich ganz genau anschauen - immerhin wildert die Gewerkschaft im Ufo-Terrain: "Wenn uns das Vereinbarte nicht gefällt, müssen die Iren mit uns nachverhandeln - und dann wird es teuer", ist eine Aussage, die die diesjährigen Entwicklungen zusammenfasst und gleichzeitig eine Kampfansage für 2019 ist.
Ebenfalls eine Kampfansage kommt vom Bundeskartellamt. Behördenpräsident Andreas Mundt verteidigt zum einen die Entscheidung, am Jahresanfang kein Marktmissbrauchsverfahren gegen den Lufthansa-Konzern eingeleitet zu haben. Zum anderen stellt er klar, dass es eine Entwicklung in der deutschen Luftfahrt gibt, die ihm Sorge bereitet.
Vergleiche man Marktmacht und Ebit-Marge von europäischen Airlines mit den Werten der US-amerikanischen Konkurrentinnen, zeigten sich "signifikante Unterschiede", die eine laufende Überprüfung notwendig machten: "Wir müssen darauf achten, dass eine gewisse Angebotsvielfalt erhalten bleibt." Das Wort "Vielfalt" zählt in Deutschland inzwischen einen Buchstaben mehr und beginnt mit einem "L".
Liebe Leser, das waren sechs Themen des Luftfahrtjahres. Natürlich waren es nicht die sechs Themen - wahrscheinlich lassen sich 365 Tage nicht einfach auf knapp eine Woche runterkürzen. Wir denken dennoch, dass wir mit unseren Interviews einen interessanten Abschluss dieses Jahres bilden konnten. Wir wünschen allen Lesern einen "guten Rutsch" und lesen uns im nächsten Jahr wieder!

Die vergangene Woche wurde kommentiert von Carlo Sporkmann. Der studierte Journalist kam nach Stationen unter anderem beim "Handelsblatt" Anfang 2017 zu airliners.de und leitet die Redaktion des meistzitierten Luftverkehrsnachrichtenportals Deutschlands. Kontakt: carlo.sporkmann@airliners.de
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