Manchmal muss jemand von außen uns in der Luftfahrtbranche die Augen öffnen. So ging es mir und sicher vielen im Publikum Anfang dieser Woche auf der Konferenz zur Aircraft Interiors Expo in Hamburg. Denn obwohl sich die Luftfahrt gern als die Speerspitze der Innovation ansieht, ist die Branche leider in vielen Dingen ziemlich verschnarcht und konservativ.
Das beginnt schon in einem ganz wichtigen Bereich, den Airlines aber oft vernachlässigen: Der Markenbildung. Nur wer ein gutes Produkt bietet und das auch noch überzeugend rüberbringt, hat beim Kunden Erfolg. Zwar geht bei den meisten Passagieren der Preis vor der Marke, aber deshalb darf der Markenauftritt nicht vernachlässigt werden.
Und was machen die Airlines? Alle dasselbe Einerlei. Devin Lidell von der Design-Agentur Teague entlarvte dies mit ein paar simplen Analysen. Was sind die dominanten Markenfarben der hundert wichtigsten Airlines der Welt? Unglaublich, aber wahr: Zu 45 Prozent Blau und zu 33 Prozent Rot. Nur eine der Top 100-Airlines kreiert mit ihren Firmenfarben schon ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal: Qatar Airways mit ihrem Logo und Aufschriften in Weinrot.
Mir fällt auch noch das schreckliche Giftgrün der russischen S7 ein, das Knallgelb von TUIfly oder das Knallrot der gerade abgewickelten südafrikanischen 1time, aber die haben es bisher trotzdem (oder deswegen?) nicht in die Top 100 geschafft.
„Das Farbeinerlei macht null Sinn“, kommentiert Devin Lidell. „Blau ist die Farbe der Indifferenz, das ist die Farbe auf die man sich stets am leichtesten einigen kann und die dann von Management-Komitees ausgewählt wird.“ Mir kommt bei Blau für Airlines eher das Blau des Himmels als Assoziation, aber das macht die Farbe nicht interessanter. Auch wenn es Ausnahmen gab – so etwa das Design der aufgelösten Bmi in England.
Also, bitte liebe Markenstrategen bei den Airlines, checkt mal die Grafikkarten auf euren Computern oder Tuschkasten und Buntstifte eurer Kinder und schaut mal, wie viele wunderbare Farben es auf der Welt noch gibt außer Blau und Rot. Und dann an die Arbeit, um interessantere Marken zu entwerfen!
Der Markendesign-Experte kann auch nicht verstehen, warum Airlines sich nicht öfter ein Tier als Maskottchen zulegen. Als leuchtendes Beispiel führt er die sehr innovative Regionallinie Porter Airways aus Toronto an. Die hat sich nämlich „Mr. Porter“ stylen lassen als gewitztes Maskottchen, einen Waschbären. Entwickelt hat das 2006 der gleiche Design-Guru Tyler Brulé, der auch Swiss bei ihrem Neustart mit einer Identität ausstattete - von der dann wichtige Teile (etwa kackbraune Sitzbezüge in Lounges und Kabinen) zu recht bald fallen gelassen wurden.
Gewählt jedenfalls wurde der Waschbär wegen seines ansprechenden Äusseren und weil er „smart and cheeky“ sei, wie es heißt. Auf Deutsch heißt „cheeky“ allerdings nicht nur keck, sondern auch unverschämt und vorlaut. Und hierzulande gelten Waschbären eher als Plagen, die sich in Hausdächern festsetzen und die Schlaf suchenden Bewohner darunter nachts in den Wahnsinn treiben. Es gibt also durchaus regionale Unterschiede im Sympathiewert für Tierarten.
Lufthansa hat mit Lu, dem Kranich, zumindest für die Kleinen an Bord ein adäquates Maskottchen erschaffen, das allerdings nicht wirklich die Marke prominent transportiert. Gut gemacht hat es früher die australische Qantas, die Koalas in Anzeigen ihr Produkt bewerben ließ. Zu einem echten Maskottchen reichte es allerdings nicht. Und das Känguru, das bei Qantas im Leitwerk prangt, kann es auch nicht sein. Die Beuteltiere gelten in weiten Teilen Australiens als abschusswürdige Plage.
„Werft die Logik über Bord!“, fordert Lidell, „Marken bauen auf unlogischem Verhalten auf.“ Als gelungenes Beispiel zitiert er Air Baltic aus Riga: Die verkauft nämlich in ihren Flugzeugen Kleinwagen in besonderer Lackierung, und zwar in den Firmenfarben, mit schick aufgespritzten Flugzeugfenstern und Notausstiegen. Das Geschäft damit läuft angeblich gut, auch wenn das niemand wirklich zu erklären vermag. Dafür ist Air Baltic die einzige Airline, die sowas macht.
Und das, also irgendwas als einziger zu tun, ist ganz wichtig, lehrt uns Herr Lidell. „Und machen Sie ein Riesen-Aufhebens darum, egal wie klein dieses Unterscheidungsmerkmal ist.“ Das hat leider nicht nur Air Baltic beherzigt. Ich als Journalist bin oft der Leidtragende, wenn mir die PR-Agenturen mit solchem Unsinn und ihren zig Pressemitteilungen darüber das Email-Postfach verstopfen.