Wer hat den Concorde-Absturz vom 25. Juli 2000 verschuldet? Das zuständige Gericht der französischen Stadt Pontoise bei Paris hatte Ende 2010 eine Antwort auf diese Frage: Es hatte die US-Fluggesellschaft Continental Airlines für schuldig an der Katastrophe gesprochen. Doch nun steht genau diese Frage erneut im Raum. Denn ab Donnerstag verhandelt das Berufungsgericht Versailles erneut den Absturz des schnellsten Verkehrsflugzeugs der Welt.
Neben Continental und der Staatsanwaltschaft Pontoise sind auch die französische Fluggesellschaft Air France als Betreiber sowie der europäische Luftfahrtkonzern EADS als Rechtsnachfolger des Concorde-Herstellers Aérospatiale als Nebenkläger zugelassen. EADS war verurteilt worden, sich zu 30 Prozent am Schadenersatz für einige Nebenkläger zu beteiligen. Die bereits entschädigten Familien der Opfer werden beim Prozess offiziell nicht dabei sein.
Die französischen Richter hatten sich am 6. Dezember 2010 der These angeschlossen, dass der Überschalljet beim Start in Paris über eine Titan-Lamelle gerollt war, die von einer zuvor abgeflogenen Continental-Maschine abgefallen war. Dabei platzte ein Reifen der Concorde, Gummiteile durchschlugen einen Tank des Flugzeugs und der ausströmende Treibstoff ging in Flammen auf. Der folgende Absturz kostete 113 Menschen das Leben. Er läutete das Ende des Flugbetriebs mit diesen Überschallflugzeugen ein, die bis dahin als Inbegriff von technologischem Fortschritt, Luxus und Sicherheit galten.
Ein zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe verurteilter Continental-Mitarbeiter hatte dem Urteil zufolge ein Ersatzteil verwendet, das nicht den Vorschriften entsprach. Die Richter hatten das US-Unternehmen daher zu einer Geldstrafe in Höhe von 200.000 Euro verurteilt. Continental soll zudem eine Million Euro Schadenersatz an Air France zahlen, der die Maschine gehörte. Der Continental-Anwalt hatte argumentiert, auch Air France habe Fehler begangen. Die Concorde habe gebrannt, ehe sie das Metallstück überrollte. Auch der Hinweis auf wiederholte Concorde-Reifenprobleme hatte die Richter nicht beeindruckt: Drei Air-France-Mechaniker wurden freigesprochen.
Bei dem Berufungsverfahren wird auch die Frage der Mitschuld der zwei betroffenen Continental-Mechaniker sowie zwei am Concorde-Entwicklungsprogramm beteiligter Ingenieure geprüft werden. Auch ein in erster Instanz freigesprochener Mitarbeiter des für die Zulassung des Jets nationalen Luftfahrtamtes DGAC wird sich neu verantworten müssen. Das Berufungsgericht wird sich am Donnerstag aber zunächst einer Frage nach der Verfassungsmäßigkeit widmen. Sollten die Richter zur Ansicht gelangen, dass sie nicht gegeben ist, könnte der Prozess kurz nach seiner Eröffnung wieder beendet sein.