Seit 2015 beantwortet Flugkapitän Nikolaus Braun in der airliners.de-Serie "Antworten aus dem Cockpit" Leserfragen zu Themen rund um Luftfahrttechnik und Flugbetrieb. Die beliebtesten Folgen aktualisieren wir derzeit und veröffentlichen sie neu. Wenn Sie auch eine Frage haben, schreiben Sie an antwortenausdemcockpit@airliners.de
Die 115.000 Liter Kerosin, die ein Airbus A380 zwischen Europa und New York verbraucht, sind eine gewaltige Menge an Treibstoff. Wie so oft im Leben ist aber alles eine Frage des Blickwinkels: Rechnet man den Verbrauch auf die 500 Passagiere und die Strecke (gut 6000 Kilometer) um, kommt man auf einen Wert von unter vier Litern auf 100 Kilometer – eigentlich ganz ok, oder?
Auch andere moderne Langstreckenflugzeuge kommen auf ähnlichen Strecken auf vergleichbare Werte. Im Kurzstreckenverkehr ist der Verbrauch etwas höher, da der verbrauchsarme Reiseflug nur einen kurzen Teil des Flugs ausmacht.
Für eine Fluggesellschaft ist dieser Treibstoffverbrauch eine der größten Kostenpositionen in der Buchhaltung – und das ist gut: Jede Fluggesellschaft ist bestrebt, den Kerosinverbrauch zu senken um die Kosten zu senken. Die Umwelt profitiert dabei im gleichen Atemzug.
Wie kann man ein Flugzeug umweltfreundlicher machen? Eine Start-Stop-Automatik geht ja wohl nicht, oder?
Anne Z.
Es gibt drei große Punkte, an denen man zur Verbrauchssenkung ansetzen kann: Das Flugzeug effizienter machen, Gewicht sparen und die Flugplanung verbessern. Die Effizienz des Flugzeugs steigt mit jeder neuen Flugzeuggeneration. Ähnlich wie auch in anderen Branchen gelingt es konstant, das Flugzeug zu verbessern.
Die Triebwerke als sehr großer Einfluss sind in einer anderen Ausgabe hier schon besprochen worden. Weitere Verbesserungen gibt es bei der Aerodynamik des Flugzeugs, der Flügel und der Anbauteile. Alles was an Widerstand reduziert werden kann, reduziert den Treibstoffverbrauch.
Gewichtseinsparungen summieren sich
Der zweite sehr große Punkt ist das Gewicht. Klar, je mehr das Flugzeug wiegt, desto mehr Kraft brauchen die Triebwerke, um es in der Luft zu halten und desto mehr verbrauchen sie. Im Umkehrschluss bringt jede Gewichtsersparnis einen niedrigeren Verbrauch mit sich. Die Ingenieure können auch so die Effizienz steigern, indem sie leichtere Systeme einbauen.
Der Einbau von Laptop- oder Tablet-Computern im Cockpit mit nur wenigen Kilogramm Gewicht kann zum Beispiel die große schwere Tasche mit den vielen Ordnern für Flugkarten ersetzen. Mittlerweile nutzt man auch mehr und mehr Gepäckcontainer aus leichten Materialien und auch die Getränkewagen sind in den vergangenen Jahren durch Umbauten leichter geworden.
Vor einigen Jahren hatte die Kampagne "die-vier-Liter-Flieger" berechnet, dass durch neue Sitze in einer Boeing 737 über 300 Kilogramm Gewicht gespart wurden, obwohl es sogar zwei Reihen mehr sind. Jedes einzelne Kilo, dass in allen Lufthansa-Maschinen eingespart wird, spart über 31.000 Liter Kerosin im Jahr.
Zwischenlandungen sind keine realistischen Alternativen
Die Flugplanung ist der letzte der großen Ansatzpunkte. Je weniger Kerosin das Flugzeug mitnimmt, desto weniger Kerosin verbraucht es: Das Kerosin im Tank ist auch Gewicht, dass befördert werden muss!
Der erste Ansatzpunkt wäre also, die Strecke zu verkürzen, damit weniger Treibstoff mitgeführt werden muss – eine Zwischenlandung wäre auf vielen Langstrecken eine stark Treibstoff sparende Maßnahme, würde aber auch zu höherem technischen Aufwand, verkürzten Crew-Dienstzeiten und verlängerten Reisezeiten führen. Insofern stellt es derzeit keine realistische Alternative dar.
Werden alle Rahmenbedingungen wie Wind und Temperaturen in der Reiseflughöhe optimal berücksichtigt, kann schon viel gespart werden. Noch mehr kann gespart werden, wenn diese Planung während eines Langstreckenflugs aktualisiert wird, das heißt, wenn man sich nicht nur auf Vorhersagen verlässt, sondern auch aktuelle Wettermessungen mit einbezieht.
Aber selbst wenn die Flugplaner eine optimale Strecke in Bezug auf Wind und Temperatur gefunden haben, machen die Luftraumstrukturen dem Ganzen oft einen Strich durch die Rechnung: Auch in der Luft ist die Freiheit nicht grenzenlos, sondern klar geregelt. So gibt es gerade in Europa viele nationale kleinräumige Zuständigkeiten, die eine optimale Planung erschweren. Hinzu kommen militärische Sperrgebiete, die für Übungen und Manöver freigehalten werden müssen.
Warum können Triebwerke nicht alternativ mit Gas betrieben werden, wie Autos?
Martin K.
Alternative Treibstoffe sind auch in der Luftfahrt ein Gesprächsthema, aber es gibt drei große Probleme: Das erste ist die Lagerung im Flugzeug. Derzeit sind alle Flugzeuge so ausgerüstet, dass der Treibstoff zu sehr großen Teilen in den Tragflächen gelagert wird.
Die Tanks sind dabei schlichtweg versiegelte Räume in der tragenden Struktur des Flügels. Sie sind weder isoliert, was zur Lagerung bestimmter Gase nötig wäre, noch können sie von innen Druck aushalten. Die Lagerung von Gasen als Flüssiggas ist damit in den aktuellen Flugzeugentwürfen nicht möglich. Würde man spezielle Drucktanks bauen, würden diese das Flugzeug schwerer und/oder größer machen, wodurch der Verbrauch wieder ansteigen würde.
Sind nachhaltig produzierte Treibstoffe (SAF) die Lösung?
Die Produktion von SAF ist aktuell noch sehr weit von dem Bedarf der Luftfahrt entfernt. Weltweit benötigt der Luftverkehr am Tag fast 500.000 Tonnen Kerosin (Zahl von 2010). Die aktuellen Produktionskapazitäten können nur einen sehr kleinen Bruchteil davon bereitstellen. Hinzu kommt, dass die Bereitstellung von Agrarrohstoffen oftmals in direkter Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln steht.
Die Umwidmung von Flächen in Ackerland für die SAF-Produktion ist gemäß einer EU-Richtlinie untersagt, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Erlaubt ist hingegen die Umwidmung bestehender Flächen, die aktuell für Nahrungsmittel benötigt werden, wobei die Nahrungsmittelproduktion dann an neuen Standorten stattfinden darf. Sinnvoller erscheint hier der Einsatz von biologischen Abfällen oder der Anbau von Algen.
Last but not least muss eine weltweite, flächendeckende Logistik geschaffen werden. Für ein Flugzeug reicht es nicht, wenn es am Start und am Zielflughafen entsprechende Lager für den Treibstoff vorhanden sind. Es muss auch überall entlang der Route Nachfüllmöglichkeiten geben, sollte das Flugzeug zwischenlanden.
So wird es vorerst weiter beim Verbrauch des klassischen Kerosins bleiben. Immerhin zeigen die oben beschriebenen Maßnahmen Wirkungen: Der weltweite durchschnittliche Verbrauch konnte seit den 90er Jahren um 30 Prozent gesenkt werden.