Airbus treibt seine Pläne voran, einen neuen internen Chef für das Verkehrsflugzeuggeschäft zu ernennen und damit faktisch eine eigene Verkehrsflugzeugsparte zu schaffen. Die Liste der Kandidaten wurde dabei um Vertriebschef Christian Scherer erweitert. Der CEO von Airbus Helicopters, Bruno Even, wurde zuvor als möglicher Kandidat für den Chefposten im Flugzeugbau gehandelt.
Die Spekulationen konzentrierten sich jedoch nun vor allem auf den Chief Commercial Officer Christian Scherer, wie aus Branchenkreisen verlautete. Einen Veteranen des Airbus-Flugzeugbaus, der auch in der Rüstungssparte und an der Spitze des Turboprop-Joint-Ventures ATR tätig war. Seine Ernennung würde eine weitgehende Kontinuität in der wichtigsten und umsatzstärksten Flugzeugbausparte des Unternehmens bedeuten.
Zu internen Organisationsfragen wollte sich Airbus nicht äußern. Im letzten Jahresbericht des Unternehmens heißt es, dass der Aufsichtsrat, der größeren Veränderungen im Management zustimmen muss, die Nachfolgeplanung aufmerksam verfolgt.
Eine endgültige Entscheidung über die Umstrukturierung soll nach Angaben aus Branchenkreisen in den kommenden Wochen fallen. Damit endeten wochenlange Spekulationen, nachdem Reuters im Juli über die sich abzeichnende Umstrukturierung berichtet hatte.
Vorstandsvorsitzender Guillaume Faury hat seit seinem Amtsantritt 2019 die Funktionen des Konzernchefs und des Chefs des weltgrößten zivilen Flugzeugherstellers in Personalunion inne.
Globale Lieferunterbrechungen infolge der Pandemie, eine sich verändernde geopolitische Landschaft mit dem Krieg in der Ukraine und die Sorge um die europäische Raumfahrtautonomie nach Verzögerungen bei den Trägerraketen, haben die strategischen Prioritäten des französischen CEO im vergangenen Jahr vervielfacht.
Herausforderungen industrieller Natur
Die Diskussion über die Managementstruktur von Airbus kann heikel sein. In der Vergangenheit kam es dabei immer wieder zu internen Streitigkeiten, insbesondere zwischen ehemaligen Managern in vergleichbaren Positionen. Auch Spannungen zwischen den Minderheitsaktionären Frankreich und Deutschland waren die Folge.
Die meisten Branchenexperten sind jedoch der Ansicht, dass Airbus nicht mehr in erster Linie politisch motiviert oder anfällig für interne Streitigkeiten ist. Grund dafür ist die Vereinbarung zur Begrenzung staatlicher Einflussnahme von vor zehn Jahren.
Die Besorgnis über die Corporate Governance hat sich unter Faury gelegt, dessen Amtszeit von den Bemühungen nach der Covid-Initiative geprägt war, die steigende Nachfrage nach Flugzeugen zu befriedigen.
Der in Deutschland geborene Scherer gehörte zu denjenigen, die den Grundstein für den Verkaufsschlager A320 Neo legten. Auch bei den Verhandlungen über den Aufbau einer Montagelinie in den USA sowie beim Kauf des A220-Jet-Programms vom kanadischen Unternehmen Bombardier, hatte Scherer wichtige Rollen inne.
Zu den wichtigen strategischen Entscheidungen, die er in den kommenden Jahren zu treffen hat, gehören die Entscheidung für ein A220-Upgrade und die Schaffung der Grundlagen für die nächste Generation von Single-Aisle-Jets.
Analysten zufolge sind die unmittelbaren Herausforderungen jedoch industrieller Natur, darunter das Erreichen des Ziels von 720 Auslieferungen in diesem Jahr. Airbus hat auch mit der sich zuspitzenden Krise beim Triebwerkshersteller Pratt & Whitney zu kämpfen.